Skorpione im eigenen Saft
bestimmt hinüber «, warnte er mich –, wurde ich damit betraut, den Laden dichtzumachen. Ich wartete, bis die Wiederkäuerin ging. Sobald ich allein war, wollte ich endlich meine Neugier stillen und die Wohnung meines Freundes Asti, in die er mich nie eingeladen hatte, in Augenschein nehmen.
Ich erwähnte bereits, dass er über der Bar wohnte; hinein kam man über einen Eingang in der Parallelstraße, aber auch über die Falltür an der Küchendecke; und ich hatte aufgepasst, wo er den Schlüssel dafür versteckte; er lag in einem Glas mit Moosflechten.
Die Wohnung war höchstens fünfzig Quadratmeter groß und unterteilt in ein Wohnzimmer, das mit Möbeln vollgestopft war, ein karg eingerichtetes Schlafzimmer, ein typisches Junggesellenbad, eine kleine Küche und eine Kammer über der Küche des Lokals, das als Weinlager diente; die besten Flaschen lagen in einer Truhe, in der Temperatur und Feuchtigkeit reguliert waren.
Tageslicht fiel lediglich durch die Balkontür im Wohnzimmer und ein kleines Fenster in der Küche herein, da s a uf einen Innenhof ging. Die Küche war sogar noch kleiner als die in der Kneipe, aber versehen mit einem multifunktionalen Roboter, der bestimmt auch ein Orgasmotron besaß. Es herrschte eine gewisse Unordnung, doch es war sauber. Die Regale im Wohnzimmer waren voll gestopft mit Büchern: unterschiedliche Belletristik – viel auf Französisch –, ein Sammelsurium, doch von hoher Qualität, keine Lyrik und sämtliche Bände einer Gastronomiereihe.
Vor den Regalen stand ein schlichter Schreibtisch mit einem Laptop. Ich schaltete das Gerät ein, doch musste man ein Passwort eingeben, um an die Dateien zu kommen. Eine seltsame Vorsichtsmaßnahme für jemanden, der allein lebte und keinen Besuch zu empfangen schien.
Ich ging weiter ins Schlafzimmer. Auf dem Nachttisch stapelte sich die Bettlektüre: die Geschichte der Gastronomie von Néstor Luján, eine abgegriffene Ausgabe des Larousse gastronomique, Der Graf von Monte Cristo auf Französisch und … Die Juwelen der Sängerin, mein Geschenk. Ich war überrascht und geschmeichelt. Ich hätte geschworen, dass er nicht einmal einen Blick hineingeworfen hatte.
Gegenüber vom Bett stand eine hübsche Kommode aus Walnussholz. Auf dem Möbel waren vier Schwarzweißfotografien in silbernen Rahmen aufgestellt.
Auf der ersten saß ein Paar mit einem Kind von ungefähr fünf Jahren vor einem Bauernhof. Die Kleidung, die altmodischen Gesichter und die Papierstruktur verrieten mir, dass es ein Schnappschuss aus den vierziger Jahren sein musste. Obwohl der Mann keinen Bart trug und ein viel gröberes Gesicht hatte als Asti, ähnelte er meinem Freund; das Kind war zweifellos er; die widerspenstigen Haare und dieser Ausdruck eines Zyklons, der bereits vorhanden war, verrieten ihn. Die Frau war eine langnasige und unscheinbare Bäuerin. Das also waren seine Eltern.
Die zweite Fotografie war das Halbporträt eines jungen Mädchens von sechzehn oder siebzehn Jahren in Sonntagskleidern Ende der fünfziger oder Anfang der sechziger Jahre. Die Atmosphäre ländlicher Rückständigkeit wurde von den lächelnden Augen und den klaren Gesichtszügen abgemildert; sie war nicht hübsch, aber anmutig. Wer konnte das sein? Eine unvergessene Liebe aus früher Jugendzeit? Damals wusste ich kaum etwas über Astis Vergangenheit. Nur einmal gab er mit einem melancholischen Seufzer von sich, dass er nie geheiratet und keine Kinder habe.
Die gleichen Fragen stellte ich mir, als ich die dritte Fotografie betrachtete. Es war das Porträt einer schönen jungen Frau mit kurzen dunklen Haaren, einem Mund wie Anna Galiena und funkelnden Augen. Sie musste etwas über zwanzig sein. Wegen dieser bestimmten sinnlichen Art hätte ich geschworen, dass sie Französin war; im Bildhintergrund konnte man die Großbuchstabe n » BOUL « erkennen. Bestimmt eine boulangerie. War das seine Liebe in den Jahren in Bordeaux gewesen?
Das vierte Bild überraschte mich. Es war ein Hund, der weder groß noch klein war und ein kluges Gesicht besaß; ein weißer oder sehr heller baskischer Schäferhund, der auf den Hinterpfoten saß und in die Kamera blickte. Der Hund, den er einmal erwähnt hatte und der in seinem Herzen einen wichtigen Platz einnehmen musste, wenn er sein Porträt neben das der ihm nahe stehenden Personen gestellt hatte.
Ich öffnete die Schubladen der Kommode, und dort entdeckte ich beunruhigende Dinge. Zwischen der Unterwäsche fand ich eine Schuhschachtel mit einer
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