Skorpione im eigenen Saft
außerdem zum Hauptmann der Reserveinfanterie des Heeres. Währenddessen heftete man das Blech an die Matratze, was der Admiral dem Vernehmen nach für die geeignetste Stelle hielt.
Die Auszeichnung erging zusammen mit einer lebenslangen Pension, in deren Genuss im Falle meines Vaters meine Mutter als Heldenwitwe kommen würde.
Als ich 1975 erwachte, erlaubte mir diese Pension, die Monat für Monat pünktlich an dieselbe Filiale der Ban k v on Guipúzcoa in Tolosa angewiesen worden war, mich ganz meinen Racheplänen zu widmen, ohne Zeit und Energie darauf verwenden zu müssen, mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen.
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A m schlimmsten war das Alleinsein; ich lag im Dunkeln, völlig abgeschnitten von der Außenwelt.
Ich war entweder allein oder meine Mutter war bei mir, was genauso war, als wäre ich allein gewesen. Abgesehen davon, dass sie nicht gerade gesprächig war, glaubte sie, dass ich nichts hören konnte und brachte kein Wort über die Lippen.
Die Abende in meinem Zimmer verbrachte sie mit Radiohören. Was eine Quelle der Zerstreuung in meiner unveränderlichen Vorhölle hätte sein können, war in Wirklichkeit eine Folter, denn das Einzige, was diese arme Frau hörte, waren fürchterliche Hörspielschmonzetten und die Liebessprechstunde von Elena Francis (Jahre später erfuhr ich, dass diese Sprechstunde obendrein ein Betrug war; die Fragen der gramerfüllten dummen Ziegen wurden von ein paar Hallodris männlichen Geschlechts beantwortet.)
Sie aß auch immer in meinem Zimmer zu Abend. Tag für Tag ausnahmslos Kartoffeltortilla (den Gesprächen entnahm ich, dass man mich intravenös mit Flüssignah rung ernährte, über einen Schlauch, der mir tief in den Rachen gesteckt wurde). Diese Kartoffeltortillas hatte ich von Kindesbeinen an gehasst. Sie waren schwer verdaulich, aus halb rohen Kartoffeln und zu viel geronnener Milch, die in Öl von schlechter Qualität gebacken und mit Schweineschmalz und Talg gemischt wurden.
Der Ekel erregende Geruch dieser fettigen Tortillas hat mich mein ganzes Leben verfolgt, und wie Sie selbst feststellen konnten, gehörte es zu meinen kulinarischen Obsessionen, mir einigermaßen schmackhafte Varianten der traditionellen Tortilla auszudenken.
Ich habe Fressanfälle erlebt, in denen ich nur mit den üppigsten Tortillas meinen Hunger stillen konnte. Ich habe unter dramatischen Verdauungsstörungen gelitten, nachdem ich Unmengen von Tortilla Soubise verschlungen hatte, eine Pampe, die ihren Namen Charles de Roahn, Prinz von Soubise, verdankt, französischer Gourmet, Koch und Marschall unter Louis XV und ein Freund von Madame Pompadour.
Die Tortilla Soubise besteht aus Hahnenkämmen, Geflügelnierchen und Karpfeneiern; diese werden mit Fasanen- oder Rebhuhneiern gemischt und mit einer Schicht Trüffel und einer weiteren Schicht Foie gras bedeckt.
Elend ergangen ist es mir außerdem mit einer Variante davon, dem Omelette Royal (dem noch Sahne beigefügt wird), und mit den konventionellen Tortillas mit sechs Eiern und einem Kilo Kartoffeln, die ich in ein Meer von Knoblauchmayonnaise tauchte oder in frischem Leberfett briet, das sich reichlich sammelt, wenn man die Leber auf den Grill legt, und das ich sammle, bis ich über eine ausreichende Menge verfüge, um eine meiner Völlereien zu veranstalten.
Wegen eines verqueren Reflexes auf eine so harmlose Mahlzeit pflege ich also bis zum heuten Tag eine Hassliebe zur Tortilla.
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C atalina, meine untröstliche Freundin, besuchte mich anfangs jeden Tag. Sie war der einzige Mensch, der mit mir redete und mir Sachen erzählte. Ich hätte sonst was dafür gegeben, ihr klar machen zu können, dass ich sie hörte, dass ich sie verstand, dass ich jedes einzelne Wort von ihr aufsaugte.
Ich spürte ihren frischen und reinlichen Geruch, wenn sie neben mich trat, um sich zu verabschieden und, wie ich annehme, mir einen Kuss zu geben.
Mit der Zeit wurden ihre Besuche seltener. Bis sie eines Tages mit einem anderen Mann kam, ihn mir als ihren neuen Freund vorstellte und mich um Verständnis und Verzeihung bat. Das war das letzte Mal, dass ihre Stimme in meinem finsteren Brunnen erklang, auch wenn sie mir eine bittere Botschaft brachte.
Nachdem ich wieder ins Leben zurückgekehrt war, sah ich sie einmal in San Sebastián. Ich glaube, es war 1977. Sie sah mich nicht oder erkannte mich nicht. Sie spazierte mit drei kleinen Kindern, die alle dieselben spießigen Sachen trugen, den Boulevard entlang. Sie war völlig aus dem Leim
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