Slant
Schmerz allein,
Auf! Knapp’ und führe mir das Ross heraus!
Und mit dem Zwerglein jagt er schnell bergein, bergaus.«
Minstrel erschaudert.
»Genug. Schnitt.«
Er hält inne, zieht sich zurück. Alice blickt verwirrt auf der Bühne umher. »Was?«, sagt sie.
»Konzentration«, kommandiert Francis. »Enttäuschung. Du kannst den Rotkreuzritter nicht haben. Du bist ein Geist, ein Sukkubus, keine echte Frau. Alles, was du tust, ist falsch und sündig, niemals Entzücken, immer nur Pflicht. Genug.«
Minstrel legt sich erregt zurück. Alice möchte ihn am liebsten besteigen, aber das wäre unprofessionell. Wenn es etwas gibt, das sie von ihm distanziert, dann ist es diese Fischleim-Membran ihrer Selbstachtung während der Arbeit.
Francis sieht sich mit glasigen Augen an, was Leni aufgezeichnet hat. Alice betrachtet die Kamera als eine Art Drachen, ein gieriges Publikum, das hinter den vielen Sinnen der Kamera bis in die fernste Zukunft Schlange steht.
»Perfekt, alle beide«, sagt Francis, als er zurückkommt und ihnen zulächelt. »Ihr habt euch die Credits verdient. Eure Anhänger werden es lieben.«
Minstrel lächelt matt zurück. Seine Kiefermuskeln spannen sich wieder an. Nachdem der Zauber gebrochen ist, kehren seine Gedanken in die schmutzige Welt zurück.
Minstrel beugt sich über sie. »Eichel möchte die liebe Fotsia fragen, ob sie ihn heiraten will«, sagt er, »aber die Verantwortung eines adligen Lebens… du weißt ja, wie das so ist.«
»Fotsia würde seinen Antrag annehmen«, erwidert Alice.
»Das sollten wir nicht auf sich beruhen lassen«, sagt Minstrel.
Alice ist verdutzt. »Nein.«
Francis ruft, dass die Bühne geräumt werden soll.
»Aber das werden wir wohl müssen.« Minstrel lächelt. »So ist es besser fürs nächste Mal.«
Dies ist ihre dritte trockene Umarmung in den vergangenen sechs Monaten. Sie treten fast nur noch im Schatten auf, als Hintergrundschicht, und stehen kaum noch ganz vorne im vollen Rampenlicht.
»Ich werde warten«, sagt Alice, und Minstrel streicht ihr über die Wange, bevor er über die Treppe nach oben geht, um sich anzuziehen.
Ahmed starrt sie errötet und ehrfürchtig an.
»Du bist noch neu, nicht wahr?«, fragt Alice ein wenig zu süß. Sie zieht ihren Bademantel an und steigt ebenfalls die Treppe hinauf. Oben hört sie in ihrer Straßenkleidung ihr Pad pausenlos piepen. Minstrel ist bereits halb angezogen. In vergangenen Zeiten hätten sie die Angelegenheit hier vielleicht zum Abschluss gebracht, da keiner von ihnen der Ansicht ist, dass aufgestaute Leidenschaften der Gesundheit förderlich sind, aber sie erkennt, dass Minstrel mit Herz und Gedanken längst anderswo ist.
Die Zeit der Höflichkeiten ist vorbei. Beide wissen, dass der Höhepunkt hinter ihnen liegt.
Sie zieht das kleine Pad aus ihrer Tasche und nimmt den Anruf entgegen. »Hier Alice.«
»Ich wollte keine Nachricht hinterlassen oder die Sache von unseren Wohnungen ausdiskutieren lassen. Hier ist Twist.«
Twist ist sechs Jahre jünger als Alice, aber bereits eine Veteranin. Sie haben sich vor zwei Jahren kennen gelernt und sofort Gefallen aneinander gefunden. Twist – falls sie überhaupt einmal anruft – behandelt Alice wie eine Art Mutter.
»Hallo, Twist. Ich komme gerade aus einem Plug für Francis.«
»Etwas Seltsames geschieht, Alice.«
»Was?«
»Ich verhalte mich sehr seltsam. Ich muss mich unbedingt mit jemandem treffen.«
»Wie seltsam?«
»Ich bin von David besessen, von oben bis unten.«
Fickkünstler haben genauso wie die meisten anderen Sexdienstleister mit so vielen Partnern zu tun, dass sich Alice nicht sofort erinnern kann, wer David ist. Sie glaubt, dass sie sich vielleicht schon einmal begegnet sind, in Twists Wohnung in Ballard.
»Ich bin kein Therapeut, Twist.«
»Ich habe meine Mutter angerufen, Alice«, sagt Twist. »Bevor ich mich bei dir gemeldet habe. Ist dir klar, wie viel Überwindung mich das gekostet hat?«
Twist deutet des Öfteren an, welch ein Monstrum ihre Mutter ist, was Alice niemals völlig ernst genommen hat. Selbst nach einer erfolgreichen Therapie ist Twist stets ein wenig neben der Rolle.
Alice setzt sich auf eine Bank und verschränkt die Beine. Minstrel schneidet eine übertriebene Grimasse und winkt ihr mit einem Finger zu, als er seine Tasche aufhebt. Alice verfolgt seinen Abgang mit einer Spur von Bedauern.
»Also gut, warum gehst du nicht sofort zu einem Therapeuten?«
»Weil David mich aus der Agentur geholt hat«, sagt
Weitere Kostenlose Bücher