Slant
für miniaturisierte Therapiemonitoren selbständig gemacht, mikroskopische Implantate, die sich frei im Körper und im Gehirn bewegen, die Gleichgewichte regulieren und natürliche neurochemische Konzentrationen korrigieren. Die ganze verspätete, aber nicht weniger schmerzvolle Publicity um seine Verbindung zum Massenmörder und Dichter Emanuel Goldsmith hatte seiner Karriere ein Ende gesetzt; anschließend wollte keine Firma mehr mit ihm zu tun haben, obwohl sie nach wie vor die Lizenzprodukte seiner Patente herstellen.
Seit dem Umzug nach Seattle hat er auf dem Gebiet der speziellen Mentaltherapie gearbeitet, im dritten Stock eines altehrwürdigen Gebäudes in der Nähe des Pioneer Square.
Draußen beginnt ein seltener wolkenloser Wintermorgen, obwohl es um acht Uhr immer noch dunkel ist. An der kalifornischen Südküste, gegen Ende seiner letzten Tätigkeit, war die Sonne unmenschlich aufdringlich und beharrlich. Martin hat sich nach einer Veränderung gesehnt, nach wechselhaftem Wetter, nach Wolken, unter denen man sich verbergen kann…
Nun sehnt er sich wieder nach Sonne.
Seltsamerweise hat ihm die Publicity hier, weit entfernt von Kalifornien, zu neuen Kunden verholfen, doch unter dem Strich bleibt die Tatsache, dass es auch das Ende seiner großen Liebe bedeutet hat. Er hat seit einem Jahr nichts mehr von Carol gehört, obwohl er Kontakt zu seiner kleinen Tochter Stephanie hält.
Martin betritt das runde Vorzimmer und stößt die Tür zu seinem Büro auf, während er sein Personal Access Device und seine Tasche an die Haken eines antiken Kleiderständers hängt. Bisher hat er die Kosten für die Installation eines Dattoos oder Haut-Pads gescheut – mit Schaltkreisen und Kontakten, die durch leicht elektrisierte Haut führen – und stattdessen mit einer älteren Ausstattung vorlieb genommen, sodass er seinen Körper bis ins achtundvierzigste Lebensjahr in natürlicher und unversehrter Gestalt erhalten hat.
Sein Empfangssekretär Arnold und seine Assistentin Kim winken ihm aus der halbverglasten Kabine mitten im Vorzimmer zu. Arnold ist groß und gut trainiert, sowohl in der Öffentlichkeitsarbeit als auch hinsichtlich körperlicher Zurückhaltung. Kim, klein und auf den ersten Blick schüchtern, ist eine dynamische Studentin der therapeutischen Psychologie und Wirtschaftsbeziehungen im Nebenfach. Er hofft, dass sie noch mindestens ein Jahr für ihn arbeiten können, bevor ihre Agentur ihnen bessere Angebote macht.
Auf einem Regal im Empfangsbereich steht seit einem Jahr ein unscheinbarer INDA, der alles überwacht, was in den fünf Räumen des Büros geschieht.
Martin bereitet sich mit einer zehnminütigen Personalversammlung auf den langen Tag vor. Er geht die Anfragen von Patienten nach unplanmäßigen Besuchen durch. »Sagen Sie Mrs. Danner, dass ich sie Freitag Mittag empfangen werde«, weist er Arnold an.
»An diesem Tag habe ich frei«, sagt Arnold. »Sie ist ein Fünfer.« Martin schaut in Mrs. Danners Akte nach. Ihr wurde bereits fünfmal eine Grundtherapie verweigert und sie kann auf eine lange kriminelle Karriere zurückblicken. »Wollen Sie, dass ich trotzdem hier bin?«
»Sie ist nicht gewalttätig«, sagt Martin. »Hauptsächlich eine Klepto. Neigt dazu, sich selbst und nicht andere zu verletzen. Genießen Sie Ihren freien Tag.«
Martin hat sein Arbeitsgebiet erweitert, indem er Anfragen von Therapeuten annimmt, die nicht mehr mit ihren Patienten zurechtkommen. Nachdem er sich seines alten Dämons entledigt hat, ist er von Menschen fasziniert, die immer noch besessen sind.
»Und Mr. Perkins…?«, fragt Arnold.
Martin verzieht in trockener Ironie das Gesicht. Kim lächelt. Mr. Perkins ist längst nicht so schwierig wie Mrs. Danner, aber der Umgang mit ihm ist nichtsdestoweniger unangenehmer. Er ist unfähig, dauerhafte Beziehungen zu Menschen aufzubauen, und beschränkt sich auf die Gesellschaft von Arbeitern in Menschengestalt. Drei Therapeuten sind bereits an ihm gescheitert – selbst mit den modernsten Nano-Monitoren und neuronalen Optimierungsmethoden.
»Seine dritte Anfrage in dieser Woche«, sagt Martin. »Ich schätze, er hat immer noch Probleme mit dem Neustart seiner Prosthetuten.«
Die Patientendaten schweben wie ein Schwarm kleiner grüner Insekten vor Arnolds Gesicht. »Seine Frau, wie er sie nennt.«
»Er kann sich nicht dazu durchringen, ihre alte Persönlichkeit zu löschen. Das scheint zumindest ein gewisses Indiz für Menschlichkeit zu sein.« Martin grinst.
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