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Slant

Slant

Titel: Slant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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fragt sich Alice, ob mit Marys Monitoren-Erneuerung etwas schiefgegangen ist und sie vor einem mentalen Zusammenbruch steht. Doch sie verfolgt diesen Gedanken nicht länger, sondern tritt im Nachthemd nach draußen, packt Mary an den Schultern und zerrt sie ins Haus zurück. Mary lässt es sich wie eine willenlose Puppe gefallen. Sie nehmen im Wohnzimmer Platz.
    »Wie konnten sie mich so sehr hassen?«, fragt Mary. »Ich war ein hässliches Kind. Ich wollte nicht mehr hässlich sein.«
    »Du warst nicht hässlich«, sagt Alice in beruhigendem Tonfall. »Ich habe die Bilder gesehen. Du hast sie mir gezeigt. Erinnerst du dich?«
    »Ich wollte stark, nützlich und wertvoll sein. Ich wollte stark aussehen und schön sein.«
    »Ja und?«, fragt Alice, die wirklich nicht weiß, was sie sagen soll. Sie selbst hat erst in den letzten Tagen eine gewisse Stabilität zurückerlangt. Sie ist sich nicht sicher, ob sie stark genug ist, ihrer Freundin helfen zu können, wenn die Dinge wirklich so schlecht stehen, wie sie scheinen.
    »Du bist dein ganzes Leben lang schön gewesen«, sagt Mary und schaut Alice an.
    Alice schüttelt abwehrend den Kopf. »Und wohin hat es mich gebracht?«
    »Wie ist es, wenn man sich niemals Sorgen machen muss, ob jemand dich ansehen mag oder dich sympathisch oder begehrenswert finden wird?«
    Alice sieht Mary nachdenklich an: das Gesicht, das immer noch durch Hautveränderungen verunziert ist, die gefurchten Brüste, die erst allmählich ihr Gleichgewicht wiederfinden, und die vernarbten Beine. Sie möchte heulen. Mary, die Unzerreißbare. Mary, die Geheimnisvolle, die Würde und Beharrlichkeit in Person, die nicht über mich richten will.
    »Wie ist es, innere Schönheit zu besitzen?«, fragt Alice schroff zurück, als wollte sie sich für eine Ohrfeige rächen. Sie steht auf, findet in der Küche den achtlos zurückgelassenen Morgenmantel, holt ihn und hüllt Mary in den dicken Frotteestoff.
    »So bin ich überhaupt nicht!«, erwidert Mary mit Nachdruck. »In mir ist so viel Wut und Groll!« Sie hebt die Hände, ballt sie zu Fäusten und reckt sie drohend zur Decke. Damit scheint sich die Spannung zu lösen und sie entkrampft die Hände, öffnet sie, starrt auf die vernarbten Innenflächen und angeschwollenen Finger. Dann schließt sie die Augen. »Warum wollten sie mich wieder hässlich machen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagt Alice mühsam. »Ich verstehe niemanden und nichts mehr.« Sie setzt sich neben Mary und drückt den Kopf der Frau an ihre Brust. »Ich weiß, dass es hasserfüllte Menschen gibt. Menschen, die uns hassen, dich und mich.«
    »Aber sie kannten uns nicht einmal!«, sagt Mary.
    Alice streichelt Marys Haar. Allmählich gewinnt Mary den Tonus ihrer Muskeln zurück, die subtile Beherrschung, die sie in Alices Gegenwart noch nie zuvor aufgegeben hat. Mary setzt sich langsam auf und fasst sich wieder.
    »Aus dem Nichts«, sagt sie, während sie ihre Emotionen zurückdrängt.
    »Ich verstehe nicht«, erwidert Alice.
    »Man kann die Kugel niemals hören, die einen erwischen wird. Sie kommt aus dem Nichts. So habe ich es mir niemals vorgestellt.«
    Sie sitzen Seite an Seite in der Wärme und Dunkelheit des Wohnzimmers. Der Wind drückt mit leisem Lärm gegen die Fenster und Wände und pfeift an den Türen vorbei. An diesem Januarmorgen herrscht tiefster Winter und die Temperaturen sind bis auf den Gefrierpunkt gesunken.
    Mary schließt die Augen und lehnt sich gegen Alices Schulter. »Und ich dachte, ich würde dir helfen«, sagt Mary.
    Alice legt ihren Arm über Mary und tätschelt ihren Unterarm. Sie hat noch nie zuvor in ihrem Leben Beschützer- oder Mutterinstinkte empfunden, nicht einmal, wenn sie sich um kontinuierliche Opfer wie Twist gekümmert hat. Mary jedoch weckt ihre mütterlichen Gefühle.
    »Die schlimmste Weihnacht, die ich je hatte«, sagt Alice. »Niemand mag das Haus verlassen, wegen dieses Wahnsinns.«
    Mary lacht und blickt zu Alice auf. Sie lacht erneut, ein leises Schnaufen, das sie halbwegs mit der vorgehaltenen Hand erstickt.
    »Siebzig Prozent weniger Einkäufe als im Vorjahr«, sagt Alice. »König Midas gönnt sich eine Ruhepause.«
    »Der Einzelhandel ist schwer enttäuscht«, sagt Mary mit etwas heiserer Stimme.
    »Frohes Neues Jahr«, entgegnet Alice. Ihre Stimme schlägt um und bricht. »Sei niemals neidisch auf Schönheit. Es ist genauso wie beim Neid auf Reichtum. Die Reichen kommen mit ihren Sensen, um dich zu mähen und zusammen mit den anderen

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