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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens
Autoren: Dan Kieran
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inspirierte.
    Beckford wurde 1760 geboren und erbte das Vermögen seines Vaters – einschließlich einer Million Pfund in bar, den Erträgen einiger Zuckerrohrplantagen auf den Westindischen Inseln und dem Fonthill-Anwesen –, als er erst neun Jahre alt war. Byron bezeichnete ihn als »Englands vermögendsten Sohn«. Mit siebzehn wurde er nach Genf geschickt, wo er sein erstes Buch schrieb; mit einundzwanzig hatte er seine Kavalierstour durch Frankreich, Italien, Deutschland und Holland absolviert. Seine Reisen ermöglichten es ihm, neuen Ideen zu begegnen, was zu Hause viel schwieriger gewesen wäre, und sie sollten prägend für ihn sein.
    In Venedig hatte er eine Affäre mit einem Mann, und in Neapel wohnte er bei Lady Hamilton; später schrieb sie ihm, um ihn davor zu warnen, was für einen Skandal er auslösen würde, wenn er weiterhin solchen »kriminellen Leidenschaften« frönte. Er kehrte nach Hause zurück, um seine Volljährigkeit mit einer aufwendigen und opulenten Feier in Fonthill zu begehen. (Die Erinnerung daran inspirierte ihn dazu, sein berühmtestes und gewagtestes Werk zu schreiben, einen Schauerroman mit dem Titel Vathek , der von einem arabischen Kalifen handelt und an die wundersamen Geschichten aus Tausendundeiner Nacht erinnert, die 1706 zum ersten Mal ins Englische übersetzt worden waren.) Zu diesem Anlass engagierte Beckford einen Bühnenbildner, der das Innere des Hauses umgestalten sollte. Er selbst durfte es daraufhin drei Tage lang nicht betreten, während die Arbeiten im Gange waren. In einem Brief beschreibt er später, was er vorfand, als er sich schließlich hineinwagte:
    Die massive ägyptische Halle sah aus, als sei sie aus einem gewachsenen Fels gehauen worden – die Zimmer und scheinbar endlosen Gänge, die nach beiden Seiten von ihr abgingen, waren alle überwölbt – eine nicht enden wollende Treppe, die von oben aussah, als wäre sie so tief wie ein Pyramidenschacht – und wenn man hinaufsah, verlor sie sich im Nebel, führte zu prächtigen Zimmersuiten mit schimmernden Marmorböden – so blank wie Glas – und bunten Zimmerdecken … die Pracht der vergoldeten Dächer – wurde teilweise von dem Rauch des Aloenholzes verdunkelt, das in Schwaden von den Räucherpfannen aufstieg, die auf den seidenen Teppichen auf den herrlichsten japanischen Porzellantellern standen. Den Freudentaumel, der unsere jungen, feurigen Herzen angesichts einer solchenZusammenstellung verführerischer Elemente erfasste, kann man sich nur allzu leicht vorstellen.
    Beckford vergleicht das Innere seines Hauses mit den »Hallen des Eblis«, dem bösen Dschinn oder Teufel aus der islamischen Mythologie (wenn man bedenkt, dass er dafür mit dem Geld von den Sklavenplantagen bezahlte, kam er damit der Wahrheit womöglich näher, als er dachte). Einige Monate später, nachdem er Vathek abgeschlossen hatte, war er gezwungen, das Land zu verlassen, weil seine Beziehung zu der Frau seines Cousins einen Skandal ausgelöst hatte. Er heiratete und lebte eine Zeitlang in der Schweiz, bevor er zurückkehrte und Parlamentsabgeordneter wurde. Doch auch das war nur von kurzer Dauer, die Presse grub weitere Skandale aus, und er ging wieder in die Schweiz. In den folgenden Jahren kam er weit herum und schrieb Reisebücher, während er in Paris, Lissabon und Madrid lebte, zwischendurch kehrte er gelegentlich nach Hause zurück, um den Bau der gewaltigen Abtei von Fonthill zu planen, die sich als sein größtes Projekt und zugleich als eine seiner größten Torheiten erweisen sollte. Um 1800 waren die Arbeiten so weit fortgeschritten, dass Beckford Lord Nelson und Lady Hamilton dort empfangen konnte, doch der Bau wurde erst 1809 abgeschlossen. Fünfzehn Jahre später stürzte die Abtei ein – nachdem er sie verkauft hatte und sich in Bath einem weiteren Zierbau widmete, der heute als Beckford’s Tower bekannt ist.
    Beckford wurde von der feinen Gesellschaft geächtet und war für viele der Inbegriff schlimmster Ausschweifungen reicher Müßiggänger, doch er war auch ein Mann seiner Zeit, der durch seine Reiseerlebnisse geprägt wurde und aufgrund seines Erbes dazu in der Lage war, seinen Launen nachzugehen. Er war gewissermaßen ein Renaissancemensch, der sichselbst in den Mittelpunkt seines eigenen Universums stellte und seiner Neugier folgte, wo immer sie ihn auch hinführte. Er genoss alle vier Bedingungen für das Glück, die bei Poe genannt werden: Reisen, Liebe, Verachtung des Ehrgeizes (bei seiner
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