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Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Slow Travel: Die Kunst Des Reisens

Titel: Slow Travel: Die Kunst Des Reisens
Autoren: Dan Kieran
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dem Wortsinn nach die Wiedergeburt von klassischem griechischen und römischen Gedankengut aus Philosophie, Literatur und Kunst. Die Kavalierstour kam im 17. Jahrhundert auf und ermöglichte es einer kleinen Anzahl vermögender Männer, ihre Bildung zu vervollständigen, indem sie die Kunstwerke, die Architektur und die Altertümer europäischer Städte besichtigten, darunter Florenz, Siena und Rom. Das Reisen bot die Gelegenheit, metaphorische und reale Grenzen zu überschreiten, und durch die Ideen, mit denen diese Männer weit weg von zu Hause in Berührung kamen, entstand ein neues Bedürfnis nach Selbsterforschung. In den Londoner Zeitungen gab es Artikel und Cartoons, die den Patriotismus jener, die den Kontinent bereisten, in Frage stellten, doch da die meisten Reisenden Angehörige der reichen Oberschicht waren, konnten sie es sich leisten, das zu tun, was sie wollten.
    In seinem Buch Instructions for Foreign Travel aus dem Jahr 1642 beschreibt James Howell ausführlich die Gedanken und Erfahrungen, die er seit 1616 auf seinen Reisen durch Europa gesammelt hatte, und fasst sie zu einem Führer für all diejenigen zusammen, die selbst Abenteuer erleben wollten. Er beginnt damit, die Vorzüge des menschlichen Auges zu preisen, und erklärt, wie viel vorteilhafter es sei, zu reisen und die Dinge mit eigenen Augen zu sehen, als in stickigen Räumen über Landkarten zu brüten und sich dieReiseerlebnisse anderer anzuhören. Das Ohr, sagt er, biete »schwache und unzuverlässige Eindrücke«, während das Auge einen »schnelleren und unmittelbareren Austausch und größere Vertrautheit mit der Seele hat«. Er schreibt darüber, wie nützlich es sei, sich mit »den Toten zu unterhalten«, womit er die Schriften anderer, vor allem Homers Odyssee , meint. Aber er plädiert auch für ein Gleichgewicht zwischen überlieferten Vorstellungen und der eigenen Lebensweisheit, was nur dann möglich wird, wenn man sich die Sehenswürdigkeiten selbst anschaut. Es gibt eine wundervolle Passage, in der er erörtert, dass nur das Reisen einem einen angemessenen Eindruck vom Himmel vermitteln kann. Wenn man an einem Ort bleibt, sieht man stets dieselben Sterne, die einem wunderschön, aber wohlgeordnet und alltäglich erscheinen, doch wenn man durch die Welt reist, beginnt man, die größere Komplexität des Universums zu erfassen. Darin besteht für Howell »das Genie aller tätigen und großzügigen Geister«. Wenn es eine bessere Metapher dafür gibt, wie das Reisen die eigene Denkweise verändern kann, dann ist sie mir bislang noch nicht untergekommen.
    Howells Buch ist voller guter Ideen zum Thema Reisen, aber meine Lieblingspassage handelt davon, wie wichtig es ist, ein Reisetagebuch zu führen. Howell fordert all seine Leser auf, zu Reiseautoren zu werden, und das ist wichtig, um den Bildungsanspruch zu verstehen, den die Kavalierstour im 17. Jahrhundert hatte, bis sie gegen Ende des 18. Jahrhunderts hauptsächlich zu einem Vorwand für lasterhafte Ausschweifungen geworden war. Er schreibt: »Der Stift hinterlässt die tiefsten Furchen und befruchtet und bereichert die Erinnerung mehr als alles andere«, und das verdeutlicht vielleicht, was uns entgeht, wenn wir heutzutage unsere Erlebnisse mit dem Fotoapparat festhalten. Notizbücher, die wir mit unseren Gedanken und Ideen gefüllt haben, werdenuns zweifellos viel plastischer an unsere Reiseerlebnisse erinnern als Gigabytes an nichtssagenden Bildern.
    Als die Kavalierstour sich etabliert hatte, kamen Kunstbücher auf den Markt, die denjenigen als Reiseführer dienten, die sich für Gemälde und Skulpturen der Renaissance interessierten. Die großen englischen Landhäuser wurden zu Museen, sie spiegelten die Ideale wider, denen die Menschen in Italien und Frankreich begegnet waren, und sie beherbergten die Sammlungen, die sie von ihren Reisen mitgebracht hatten. Landschaftsgärtnerei und neoklassizistische Architektur entstanden als Reaktion auf eine neue Art des Sehens und die Öffnung gegenüber einer anderen Kultur und Umgebung.
    Die Oberschicht wusste bald mehr über Italien und Frankreich als über das eigene Heimatland. Einige waren so inspiriert von der Architektur, die sie gesehen hatten, dass sie sich auf ihren Anwesen Nachbauten errichteten, von denen manche zu den Zierbauten wurden, die man noch heute in England überall auf dem Land verstreut finden kann. Einer von ihnen war William Beckford, der Edgar Allan Poe zu seiner Erzählung Das Gut zu Arnheim
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