SMS für dich
ihre Beziehung beneidet.
Doch als er den Text liest, ist ihm sofort klar, dass die Nachricht gar nicht ihm gilt. Offensichtlich hat sich irgendein
völlig hoffnungsloser Romantiker bei der Nummer vertippt. Die Botschaft versteht Sven trotzdem: Wer verliebt ist, verblödet.
Wer nicht verliebt ist, stumpft ab.
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Clara
«Ein Zeichen!»
«Hä?», nuschelt Katja leicht genervt am anderen Ende der Leitung. «Nochmal ganz langsam. Ich kapier rein gar nichts. Lass
mich kurz wach werden.»
Clara hat sich ihre alte Nicki-Jacke übergeworfen und sich in der Küche auf die Fensterbank gesetzt, die Beine angezogen,
damit ihre nackten Füße nicht mit dem kalten Fliesenboden in Berührung kommen. Sie ist noch völlig aufgewühlt und befürchtet,
dass Katja gleich einen Notarzt rufen oder aber sie einfach auslachen wird.
«Also, nochmal ganz von vorne, Süße. Atme tief ein und |25| aus, und dann sag mir nochmal ganz langsam, was passiert ist, ja?»
«Na, das verdammte Licht ist ausgegangen!», wiederholt Clara und erschrickt, weil ihr Tonfall so hysterisch klingt. «Ich hab
Ben eine SMS geschickt, und gerade als das Display ‹gesendet› angezeigt hat, ging das verdammte Licht im Schlafzimmer aus!»
«Du hast was gemacht?»
«Nichts! Ich hab gar nichts gemacht. Das ist ja das Schlimme!»
«Nein, ich meine, du hast Ben eine SMS geschickt?!»
Clara muss schlucken. Sie will nicht schon wieder heulen. Nicht heute, nicht nach diesem erfolgreichen Tag. Sie bemüht sich,
so gelassen wie möglich zu klingen.
«Ja, ich weiß, dass das albern ist. Und ich hab so was Bescheuertes auch noch nie gemacht. Ehrlich! Aber mir war einfach danach.
Und dann war es plötzlich dunkel!» Clara bemerkt, dass sie erneut etwas zu laut geworden ist.
«Ähm, also du hast die SMS geschickt, und dann wurde es dunkel?», fragt Katja erstaunt.
«Ja.»
«Bist du denn sicher, dass du das Licht nicht selbst ausgemacht hast?»
«Mensch, Katja! Ich weiß ja, dass ihr alle denkt, ich bin noch immer neben der Spur. Aber blöd bin ich nicht!»
«Mhm, ein bisschen unheimlich ist das schon …», murmelt Katja so leise, als spräche sie zu sich selbst.
«Ja, sag ich doch. Ich hab mich total erschrocken und wie wild am Schalter rumgedrückt. Mit einem Mal wurde es dann wieder
hell. Das heißt, die Lampe funktioniert also noch ganz normal.»
|26| «Na, dann ist doch alles in Ordnung.» Katja gähnt in den Hörer hinein.
«Nichts ist in Ordnung!» Claras Stimme ist nun so weinerlich, dass sie kaum zu verstehen ist.
«Hör zu, Süße, warum packst du nicht deinen Kram für morgen zusammen und kommst heute Nacht zu mir? Ich hol dich ab, okay?»
«Ich fürchte, das geht nicht. Ich muss morgen ganz früh raus.»
«Mmh, dann versuch jetzt zu schlafen. Kuschle dich gut ein. Und mach dir vorher noch einen heißen Kakao. Aber mit Sahne! Bestimmt
hast du dich heute wieder nur mit einem Teller Suppe über Wasser gehalten!»
Clara muss seufzen. Genau das predigt ihre Oma auch ständig. Erst am Wochenende, als sie zu Besuch bei Lisbeth und Willy war,
hat ihre Großmutter mit allen Tricks versucht, Clara wieder etwas mehr «Speck auf die Rippen» zu bringen, wie sie es liebevoll
nennt.
Früher hat sich Clara über ihre Extrapfunde geärgert. Aber mittlerweile macht sie sich selbst ein wenig Sorgen wegen ihres
abhanden gekommenen Appetits.
Schon wenige Wochen nach der Trauerfeier waren die kleinen Pölsterchen um ihre Hüften beinahe ganz verschwunden. Seit Ben
weg ist, muss Clara jede noch so kleine Mahlzeit runterwürgen, ohne wirklich Freude daran zu haben. Manchmal fährt sie samstags
mit dem Auto zwar zu einem riesigen Supermarkt, um sich Dosensuppen und Buttermilch zu kaufen. Doch dies tut sie nur, weil
sie meint, damit Ben ein wenig näher zu sein. Er liebte es, sich samstagvormittags in das große Abenteuer Wochenendeinkauf
zu stürzen. Stets lockte er Clara mitzukommen, meist |27| mit der Aussicht auf eine Familienportion Stracciatella-Eis.
Ben war es grundsätzlich vollkommen egal, welchen Eindruck er bei anderen Menschen hinterließ. Er konnte mitten im überfüllten
Supermarkt mit einer Handvoll Orangen jonglieren oder aber Clara vor der Kühltheke zu einer kleinen tänzerischen Showeinlage
animieren. Auch seine theatralische Art, ihr in der Schlange an den unmöglichsten Stellen ein Küsschen aufzudrängen oder sie
einfach frech in den Hintern zu kneifen, sodass sie laut aufschrie, war ihm
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