0158 - Der Spiegel-Dämon
Bill drückte sich an seiner Frau vorbei und ging zu Johnnys Zimmer. Vorsichtig klopfte er gegen die Tür.
»Bist du schon wach, Großer?«
»Daddy!« juchzte der Kleine.
Bill drückte die Tür auf.
Johnny saß in seinem Bett. Er trug einen roten Schlafanzug und sah richtig putzig darin aus. Sein Haar war noch zerzaust, aber die Augen blickten hell und klar. Darin war nichts mehr von der Müdigkeit zu erkennen.
»Gehst du weg, Daddy?«
»Ja, mein Lieber.« Der Reporter nahm auf dem Bettrand Platz. »Ich wollte dir nur noch Good bye sagen.«
Johnny lächelte. »Das finde ich toll, Daddy.« Er schlang seine Arme um Bills Nacken, und der Reporter drückte seinen kleinen Sohn fest an sich.
Johnny war der große Stolz der Conollys. Das konnte er auch sein, denn er entwickelte sich prächtig. Mit seinen knapp drei Jahren war er ein richtiger Sausewind geworden und hatte nichts als Streiche und Dummheiten im Kopf. Er hielt seine Eltern auf jeden Fall ganz schön in Atem.
Fest schlang er seine Arme um Bills Nacken. Erstaunlich, welche Kraft der Kleine schon hat, dachte Bill und machte sich frei. »Und jetzt sei schön brav, und ärgere Mummy nicht zu sehr.«
»Nein, nein.« Johnny schüttelte den Kopf. Seine blonden Haare flogen. Dann schaute er seinen Vater an, wobei er das Gesicht etwas schief legte.
»Ist was?« lächelte Bill.
»Ja, Daddy. Weißt du, was ich jetzt möchte?«
Bill lachte. »Nein, mein Liebling.«
»Ich möchte dir die Kehle durchschneiden«, erwiderte der Kleine mit ernster Stimme…
Bill Conolly war viel zu geschockt und überrascht, um eine Antwort geben zu können. Er sagte nichts, sondern holte nur tief Luft. Dann schaute er seinem Sohn in die Augen.
Johnny grinste ihn an. Er lächelte nicht, nein, er grinste. »Hast du gehört, Daddy?«
»Nein, nein…«
»Dann sage ich es dir noch einmal!«
Bill wurde ärgerlich. Er legte seine Hände auf die schmalen Schultern des Jungen. »Ich will nichts hören, Johnny. Hast du mich verstanden?«
»Sicher, Daddy.«
»Dann ist es gut.« Bill stand auf, strich dem Jungen noch mal über das Haar und ging.
Immer das verdammte Fernsehen, dachte er. Ob Johnny wieder einen Film gesehen hatte, der gar nicht für ihn bestimmt war? Sicherlich, denn woher hätte er diesen Satz haben können? Seinem Vater die Kehle durchzuschneiden!
Noch ziemlich verstört kehrte Bill zu seiner Frau zurück. Sheila schaute ihn an.
»Hast du was, Bill?«
»Nein, wieso?«
»Ich meine nur, du siehst so blaß aus.« Sie lachte. »Dir fehlt sicherlich das Frühstück.«
»Bitte nicht! Ich habe keinen Hunger.«
»Na dann. Aber irgendwas ist doch mit dir, Bill?«
»Ich mußte nur gerade an das Öl denken, das diese Firma rücksichtslos in die Themse gekippt hat.«
Sheila nickte. »Ja; das ist schlimm.« Sie brachte ihren Mann noch bis zur Tür.
»Und gib gut auf den Kleinen acht«, sagte der Reporter.
»Aber das mach ich doch immer«
»Klar, natürlich.« Bill hauchte seiner Frau einen Kuß auf die Lippen und ging zur Garage, wo sein Porsche stand. Er schwang sich in den Wagen und rauschte los.
Sheila winkte ihm nach. Ein Windstoß fuhr durch das lange Haar und wirbelte es hoch. Sheila war schon frühlingshaft gekleidet. Sie trug eine rote Bluse und einen Rock im Indian Look. Das Kleidungsstück reichte bis zu den Waden. Sie ging wieder zurück, als Bill nicht mehr zu sehen war.
Johnny lag noch im Bett. Er sah auf, als Sheila ins Zimmer schaute. »Ist Daddy schon weg?«
»Ja, mein Schatz, er ist gefahren.«
»Schade.«
»Wieso?« Sheila setzte sich wie ihr Mann zuvor auch auf die Bettkante.
»Ach, ich hätte gern noch etwas getan.«
»Was denn?«
»Nichts, Mummy, nichts. Fiel mir nur so ein.«
»Morgen wird Daddy wieder mit dir spielen oder noch mal zu dem Mirror Man gehen.«
Plötzlich leuchteten die Augen des Jungen. »Ja, der Spiegelmann, das ist gut.«
»Hat dir das gefallen?«
»Natürlich, Mummy. Der war ganz große Klasse. Das ist ein Freund von mir.«
»Dann wird Daddy sicherlich noch mal mit dir hingehen.«
»Ich habe sogar von ihm geträumt.«
»Und?«
Johnny senkte den Kopf. »Nichts. Ich habe es wieder vergessen. Komisch, nicht?«
Sheila lachte. »Das passiert nicht nur dir, sondern auch uns Erwachsenen. Wir vergessen oft Träume. Jetzt aber los, aufstehen und anziehen, sonst wird dein Kakao kalt.« Sheila erhob sich und suchte einige Kleidungsstücke für ihren Sohn aus dem Schrank.
Johnny weigerte sich, in seine Sachen zu schlüpfen.
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