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SMS für dich

Titel: SMS für dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofie Cramer
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bemerkt. Er geht ja auch regelmäßig zum Arzt. Ich glaube einfach, ihm   …» Lisbeth geriet ins Stocken. «Ich glaube, ihm geht es seelisch nicht so gut.»
    «Aber Oma, das ist ja auch kein Wunder! Gerade jetzt, wenn es Frühling wird und er nicht mehr so kann, wie er will.»
    «Nun ja. Aber ich glaube, es geht ihm irgendwie schlechter als ohnehin schon.»
    «Aber wie kommst du denn darauf?»
    «Ich spüre das eben.»
    «Ja, was denn genau?»
    «Das kann ich nicht sagen. Es geht ihm eben einfach nicht so gut.»
    Clara schluckte. Sie traute sich gar nicht, weiter nachzuhaken, obwohl sie das Gefühl hatte, ihre Oma würde ihr irgendetwas
     verheimlichen.
    «Ach Kindchen», seufzte Lisbeth. «Er mag zwar manchmal wie ein Stoffel wirken. Aber in seinem Herzen ist er so weich und sensibel.
     Es macht ihm einfach zu schaffen, dass sich   … ähm, nun ja, dass sich vieles verändert hat.»
    «Du meinst, seit Ben nicht mehr da ist?», fragte Clara leise und in einem Tonfall, der jede Antwort erübrigte.
    Sie war erstaunt. Nie hatte sie darüber nachgedacht, dass ihr Großvater womöglich unter dem schrecklichen Geschehen so sehr
     leiden könnte.
    «Du kennst ihn doch. Er macht sich immer viel zu viele |31| Gedanken», fügte Lisbeth hinzu und fing an, den Tisch abzuräumen.
    Allmählich begriff Clara. Womöglich geht es gar nicht nur um Willy, sondern darum, dass auch Lisbeth nicht mehr weiß, wohin
     mit ihren Sorgen. Sicher, sie hat ein paar alte Freundinnen und einen zweiten Sohn. Doch der wohnt mit seiner Familie in der
     Nähe von Frankfurt und kommt nur selten nach Lüneburg.
    Lisbeth kehrte an den Tisch zurück, mit einer gefüllten Tupperdose.
    «Aber ich dachte   …», setzte Clara an und senkte den Kopf, weil sie nicht in der Lage war, in das sorgenvolle Gesicht ihrer Oma zu blicken.
    Da nahm Lisbeth die Hand ihrer Enkelin und sagte: «Willy hat dich so unendlich doll lieb. Er weiß doch auch ohne viele Worte,
     dass deine kleine, zarte Seele verletzt ist.»
    Obwohl Clara sich fest vorgenommen hat, ihrer Oma nie wieder Sorgen zu bereiten, kommen ihr auch jetzt noch die Tränen, wenn
     sie an diese Szene denkt. Doch in diesem Moment weiß sie gar nicht, ob sie wegen Ben heult oder wegen ihrer Großeltern. Sie
     kann nicht anders, als ihrer Verzweiflung und ihrem Selbstmitleid vollends nachzugeben. Clara weint so sehr, wie sie es seit
     Wochen nicht mehr getan hat. Sie fühlt sich schuldig und gleichzeitig ungerecht behandelt, als habe das Leben sie verraten.
    In Momenten wie diesen, die nichts als Traurigkeit und Leere zulassen, kommt Clara manchmal der Gedanke, sich genauso feige
     aus dem Staub zu machen, wie Ben es vielleicht getan hat. Sie würde sich einfach mit Tabletten in den Schlaf weinen, und endlich
     wäre alles wieder gut. Aber |32| ihr ist bewusst, dass ein solcher Schritt nicht weniger, sondern mehr Übel in die Welt bringen würde. Sofort meldet sich ihr
     Gewissen.
    Was würden ihre Oma, ihr Opa und ihre Mutter ohne sie machen? Auch Katja und ihre Sandkastenfreundin Bea würden ihr sicher
     niemals verzeihen, dass sie sich ihnen nicht anvertraut hat. Womöglich wäre sie sogar schuld daran, wenn ihr Großvater dann
     völlig den Lebensmut verlieren würde.
    Seit Bens Tod fühlt Clara sich wie in einem gläsernen Gefängnis. Ihre Familie, ihre Freunde, ihre Kollegen – alle sind sichtbar
     um sie herum versammelt und jederzeit für sie da. Aber sie kann sie nicht erreichen. Selbst wenn sie zu ihnen spricht, versteht
     kaum einer, was sie wirklich sagt. Instinktiv nimmt sie wahr, dass sogar die liebevollsten Menschen irgendwann nicht mehr
     imstande sind, zu ertragen, was sie wieder und wieder loswerden muss. Spürbar schleicht die Einsamkeit in ihren Körper. Und
     jeder weitere Gedanke an Ben trennt sie nur noch mehr von allem, was ihr früher so nah gewesen ist.
    Erst als sie wieder in ihrem Bett liegt, kommt Clara allmählich zur Ruhe. In diesem Augenblick tröstet sie nur ein einziger
     Gedanke: Ben eine weitere Nachricht zu schicken.
     
    Ich denke ständig an dich. Gib mir noch ein Zeichen, wenn’s dir gutgeht. Aber nur eins, das mich nicht so erschreckt! In ewiger
     Liebe, dein L.
     
    Obwohl Clara sich selbst sehr merkwürdig vorkommt und sie beinahe ein bisschen Angst hat, beschließt sie, ein |33| tägliches Ritual daraus zu machen und es somit zu einer liebgewonnenen Gewohnheit werden zu lassen. Von nun an will sie jeden
     Tag eine SMS ins Jenseits senden.

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