SMS - Sarah mag Sam
dich angerufen?«, frage ich.
»Ich habe alle angerufen«, erzählt sie.
»Außer mich«, stelle ich nüchtern fest.
»Nachdem ich mit Carla, Jenny und Lili geredet hatte, dachte ich, es ist besser, wenn ich gleich vorbeikomme – und du mir die ganze Geschichte aus deiner Sicht erzählst.«
Ich bin so froh, dass ich das alles noch einmal erzählen darf. Ich denke sowieso an nichts anderes. Als ob ich in einer Dauerschleife wäre. Mein Papa hört manchmal noch seine alten Schallplatten von früher. Wenn eine dieser Platteneine Macke hat, springt die Nadel des Plattenspielers zurück und man hört die letzten paar Töne ewig wieder, bis einer hingeht und den Tonarm anstupst. So eine Macke habe ich auch.
»Was vor den Ferien passiert ist, das weißt du ja«, sage ich.
»Du und Jenny, ihr habt wegen diesem Sam gestritten und euch benommen wie die letzten Zicken.«
So fasst Cibel die Geschichte zusammen. Das sehe ich ganz anders.
»Nur Jenny war zickig. Sie wollte mir Sam wegnehmen.«
»Gehört er dir denn?«
Ich wünschte, er gehörte zu mir. Aber das ist natürlich nicht so.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich weiter mit Cibel über Sam und die Clique reden will. Sie ist so kritisch. Ich hatte gehofft, sie würde mir recht geben.
»Willst du nicht von deinem Urlaub in der Türkei erzählen?«
Cibel durchschaut mich. »Lenk nicht ab!«, lacht sie. »Jetzt reden wir erst mal über dich. Aber solltest du sehr, sehr neugierig sein: Es war ganz toll dort, ich habe Freundinnen und Verwandte getroffen, ich hatte viel Spaß, wir waren in Ankara und dann am Meer, da haben Verwandte von mir ein Haus. Aber ich habe keinen Jungen geküsst.«
»Ich auch nicht«, sage ich kleinlaut.
»Nicht einmal Sam?«
Ich schüttle den Kopf.
»Also ist gar nichts dran an der ganzen Sache?«
Wieder schüttle ich den Kopf.
»Nicht mal so viel, wie Jenny vermutet?«
»Wir waren Eis essen«, sage ich und Cibel lacht: »Du gibst wenigstens zu, dass gar nichts war.«
Jetzt lachen wir beide.
Cibel hört sich meine Geschichte bis zum Ende an, bis zu dem Streit mit Carla, Jenny und Lili.
»Euch kann man wirklich nicht mal ein paar Wochen allein lassen«, grinst sie, aber ich kann nicht darüber lachen. Es klingt ein bisschen nach meiner Mutter, wenn Marc und ich Krach haben.
Da gebe ich mir einen Ruck und erzähle Cibel auch noch meinen Albtraum vom ersten Schultag.
»Ich würde versuchen, vorher mit ihm zu reden«, sagt Cibel. »Ihm klipp und klar sagen, was passiert ist, und ihn fragen, wie ihr jetzt aus der Geschichte am besten herauskommt.«
»Und wenn ich ihn vor Schulbeginn nicht erwische?«
»Dann ruf ihn an, schreib ihm eine SMS, eine Mail, irgendwas, damit er nicht völlig ahnungslos ist am ersten Tag.«
»Carla meint, ich soll überall herumerzählen, ich hätte per SMS mit Sam Schluss gemacht.«
»Warum tust du’s nicht?«
Mein Grinsen fällt etwas schief aus. »Ich schaff’s nicht.«
»Macht nichts«, sagt Cibel. »Die anderen Mädchen würden dir’s sowieso nicht glauben, da bin ich mir sicher.«
Das ist ja mal ein blöder Trost. Genauso blöd wie der von Carla, ich solle die Sache lockerer sehen.
»Paul denkt auch, ich sollte Sam die Wahrheit sagen«, murmle ich.
»Dann sind wir ja schon zwei«, lächelt Cibel.
»Ihr habt echt keine Ahnung, wie schwer das ist.«
»Du magst Sam wirklich, oder?«
Ich werde rot, aber das sieht man nicht, denn mein Zimmer ist nicht besonders hell. Zum ersten Mal in meinem Leben finde ich, dass das ein Vorteil ist.
Eine Weile sind wir beide still. Ich höre schwere Schritte draußen. Nein, es ist nicht Tyrannosaurus Rex, es ist mein Bruder. Er stapft durch den Flur, schlägt kurz mit der Faust an meine Tür und reißt sie auf. »Sarahlein …«, sagt er nur, da sieht er Cibel da sitzen. Plötzlich geht mit dem Neandertaler eine bemerkenswerte Veränderung vor sich. Er lächelt freundlich, seine Stimme wird weicher und leiser. »Hallo, Cibel«, flötet er. »Wieder da?«
»Hi Marc«, sagt Cibel und lächelt. Ich glaube, die beiden proben für eine neue Aufführung von
Die Schöne und das Biest
. Wer welche Rolle spielt, ist ja wohl klar.
Gerade noch kann Marc mir sagen, warum er eigentlich geklopft hat. Er geht nur kurz was besorgen, wenn Paul kommt, soll ich ihn bitte reinlassen.
Mach ich doch glatt.
Mit einem charmanten Lächeln oder vielmehr dem, was er dafür hält, verabschiedet sich Marc von Cibel.
»Dann bis bald. Ciao.«
Ich wusste gar nicht, dass mein Bruder so
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