SMS - Sarah mag Sam
nett sein kann.
Cibel muss nach Hause. Vorher gibt sie mir noch ein Halstuch, das sie mir aus der Türkei mitgebracht hat.
»Ich kann dir nicht helfen, Sarah«, sagt sie. »Rede mit Sam. Wenn er so nett ist, wie du denkst, dann hilft er dir auch, dass die Sache gut zu Ende geht.«
Als Cibel gegangen ist, muss ich darüber nachdenken. Ich bin mir nicht sicher, ob Sam wirklich so toll ist, mir aus der Geschichte rauszuhelfen. Bei Paul wäre ich mir absolut sicher. Warum gibt es keine Mischung aus Paul und Sam?
Als Paul kommt, ist Marc noch längst nicht da. Ich lasse ihn herein, wir setzen uns in den Garten und warten gemeinsam. Erst mal schweigen wir uns an. Nach unserem Gespräch am Fluss sind wir beide ziemlich komisch drauf.
»Gerade eben war Cibel da«, sage ich. »Sie denkt auch, ich sollte Sam die Wahrheit sagen.«
Paul nickt. Er fühlt sich bestätigt.
»Dann gehe ich morgen einfach zu ihm«, behaupte ich todesmutig.
»Keine Chance. Er kommt erst spätabends aus Neuseeland zurück – ganz knapp zum Schulbeginn.«
Ich gebe noch nicht auf: »Ich rufe ihn an.«
»Ganz schön mutig, findest du nicht?«
Danke, Paul. Das habe ich jetzt gerade noch gebraucht.
»Egal«, murmle ich. »Ich hätte mich sowieso nicht getraut.«
Ich muss ziemlich verzweifelt aussehen.
»Wenn es dir hilft, ruf ich ihn an«, schlägt Paul vor.
Ich würde Paul jetzt gerne sagen, dass er der tollste Kumpel auf der Welt ist. Aber das Wort
Kumpel
trifft’s nicht ganz. Deshalb umarme ich ihn einfach spontan, sage
Danke
unddrücke ihm einen Kuss auf die Wange. Komisch, bei Paul kann ich das. Bei Sam hätte ich mich das nie getraut.
Pauls Begeisterung hält sich in Grenzen. Na gut, in Zukunft haue ich ihn auf die Schulter, wie das mein Bruder immer mit seinen Freunden macht.
Showdown im Pausenhof
Es ist der erste Schultag nach den großen Ferien. Ich stehe um halb sechs Uhr auf. Nicht weil ich mich schminken oder sonst wie schön machen will wie vor den Ferien, als Sam mich mit dem Roller abgeholt hat. Ich kann nicht mehr schlafen. Ich habe Angst. Angst vor der Begegnung mit Sam und mit den anderen.
Ich schlurfe ins Bad und sehe in den Spiegel. Ja, ich sehe so aus, wie ich mich fühle. Grauenhaft. Passend zum Tag. Sam wird mich gar nicht wiedererkennen. Nie war ich so hässlich wie heute.
Ob Paul mit Sam geredet hat? Und wenn ja, was hat Sam gesagt? Manche Menschen träumen die Zukunft. Ich hoffe, diese Begabung habe ich nicht. Denn wenn meine Albträume heute Wirklichkeit werden, dann möchte ich diesen Tag im Kalender überspringen.
Ich höre schon das Lachen von Jenny und Lili, wenn Sam mich bloßstellt. Jetzt lacht jemand besonders schrill! Aber nein, niemand lacht, es ist auch noch niemand wach außer mir. Es ist mein Handy. Bestimmt eine SMS. Ich schöpfe Hoffnung. Paul! Alles ist gut, könnte er schreiben. Oder Sam! Wir sehen uns gleich. Ich suche nach meinem Handy. Es steckt in der Tasche der Hose, die ich gestern anhatte. Warum ist das Teil immer da, wo man es nicht vermutet?
Ich sehe aufs Display.
Hole dich ab
steht da. Aber nicht Paul oder Sam holen mich ab, sondern Cibel. Erst bin ich enttäuscht. Dann schäme ich mich dafür, enttäuscht zu sein. Ich sollte froh sein, dass überhaupt jemand den Weg heute mit mir geht.
Ich schreibe ein
Danke, bis gleich
zurück, dann gehe ich hinunter in die Küche. Heiße Milch mit Honig, das soll beruhigen. Oder macht es nur müde? Egal. Ich decke den Tisch. Was soll ich sonst tun? Wenn ich schon nicht mehr schlafen kann, dann mache ich mich wenigstens nützlich. Mama wird froh sein.
Aber Papa kommt als Erster die Treppe runter. Er sieht mich an der Kaffeemaschine hantieren und lächelt. »Gute Vorsätze fürs neue Schuljahr?«
»Ich konnte nicht mehr schlafen.«
»Vor lauter Vorfreude?«
Haha, wenn Eltern komisch sein wollen.
Warum meldet sich Paul nicht? Er muss mir doch sagen, was mich erwartet, wenn ich zur Schule gehe! Aber nichts.
Ich sitze am Frühstückstisch und kriege keinen Bissen runter. Ich werfe eine Tasse hinunter und schreie vor Schreck. Marc empfiehlt eine Einweisung in die Nervenklinik. Ich will meine Serviette nach ihm werfen, aber sie landet in der Butter. Meine Mutter schimpft, Marc lacht hämisch, ich stehe einfach auf und gehe.
Mal will ich Paul eine SMS schreiben, dann doch wieder nicht, mal finde ich’s ganz vernünftig, dann wieder aufdringlich und doof, doch ich habe so viel Angst vor derBegegnung mit Sam, dass ich es nicht mehr aushalte.
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