Snack Daddys Abenteuerliche Reise

»Sie kann die Grenze morgen überqueren. Wir machen uns ohne sie davon.«
    »Ich verstehe nicht, Herr«, sagte Timofej.
    »Ich habe es mir anders überlegt«, sagte ich. »Ich will sie nicht mehr. Und ich will ihre Leute nicht. Wir fahren nicht nach Belgien, Timofej. Wir schlagen uns nach New York durch. Mit allen nötigen Mitteln.«
    »Sehr wohl,
batjuschka
«, sagte Timofej. »Wie es Euch gefällt.« Wir schlichen uns ins Schlafzimmer und sammelten meinen Laptop und meine Jogginganzüge auf. Ich sah Nana ins verzerrte Gesicht, die dickeZunge in die Kehle zurückgerutscht, die Arme ausgebreitet wie der gute Dieb am Kreuz. Ich liebte sie noch immer sehr. Aber einen Kuss mochte ich ihr nicht geben.
     
     
    Eine Stunde darauf waten wir durch einen schlammigen grauen Fluss und lassen das zerstörte Absurdistan endgültig hinter uns. In der Ferne, im silbrigen Schein des jungen Mondes, hängt ein ähnlicher muslimischer Halbmond über dem Wachturm einer Nachbarrepublik. Ich halte den Laptop über meinen Kopf; Timofej schwitzt unter dem Gewicht meines schwereren Gepäcks; Yitzhak, der nette Junge, der in New York mit Schwarzen Basketball spielen möchte, schwingt eine weiße Fahne und ruft etwas in der Landessprache, stößt eine Kette von Konsonanten aus, die sich mit dem gelegentlich eingestreuten Vokal zanken. Als wir wieder trockenen Boden unter den Füßen haben, laufen wir auf den Wachturm zu, schwenken unsere weiße Fahne, meinen belgischen Pass, das lichte graue Viereck meines Laptops.
    Rouenna.
Mit jedem Schritt bin ich näher bei dir. Jeder meiner Schritte trägt mich unserer Liebe mit Blitzgeschwindigkeit entgegen und entfernt mich von diesem rettungslos verlorenen Land.
    Seien wir ehrlich. Die Sommer in New York sind weniger romantisch, als man denkt. Die Luft steht und stinkt abwechselnd nach Meer, Sauerrahm und regennassen Hunden. Aber der beginnende September liegt einem noch warm und voll in den Armen. Ich habe nachgedacht, Ro. Wir sollten uns eins der Häuser kaufen, die noch an der Vyse oder Hoe Avenue stehen, ein prächtiges und verfallenes viktorianisches oder sogar neugotisches mit einer großen einladenden Veranda für die Kinder aus den umliegenden Mietskasernen.
    Sieh dich um. Die alten Männer spielen Domino um Geld; Bebo, Frankie, Marelyn und Aysha, alle fünf Jahre alt, kicken einen dreckigen Football durch die Gegend; ihre älteren Vettern und Kusinen spielen wie die Weltmeister Gummitwist; junge Mütter und Väter im Teenageralter rufen einander über den Zaun hinweg schmutzige Sachen zu und nennen ihre Kleinen
tiguerito
, »Gangsterlein«; von den Telefonmasten hängen die Turnschuhe; aus den blank gewienerten MitsubishiMonteros hämmert Salsa durch die Straßen; die Läden tragen keine Namen, da steht nur HIER LOTTO SPIELEN ; aus den Fenstergittern der Mietskasernen wachsen Rosen.
    In unserem Keller wummern die Trockner und die Waschmaschinen. Du reichst mir ein aufgerolltes Paar Babysocken, handwarm. Wir haben eine große Familie. Alles wird sich weiterdrehen. Oh meine liebe, endlose Rouenna. Vertraue mir. Auf diesen grausamen, streng duftenden Straßen werden wir die schwierigen Leben vollenden, in die wir hineingeboren worden sind.

Danksagung
     
    Den folgenden New Yorkern möchte ich danken: meinem Freund Akhil Sharma, dessen Einsatz über alles Pflichtbewusstsein hinausging und der dieses Manuskript sorgfältig geschoren hat; Daniel Menaker, meinem Lektor, dem wahrhaft Unvergleichlichen, der mich als Schäfer auf sattere Almen trieb; Dans Hilfsschäfer Matt Kellogg, dem jungen Wortgewandten; und Denise Shannon, meiner Agentin, für ihren unbestechlichen kritischen Blick und ihr Talent, mir über all die Jahre meine Zahlungsfähigkeit zu erhalten.
    Die Ledig House International Writers Residency im Staat New York war immer da, wenn ich ländliche Ruhe zum Schreiben und Denken brauchte.
    Und es begab sich, dass die besten Teile dieses Buches unter der Pflege von Beatrice von Rezzori und der Santa Maddalena Foundation entstanden, ihrem bemerkenswerten Refugium für Dichter bei Donnini in Italien.

 
     
    Über den Autor:
    Gary Shteyngart
wurde 1972 in Leningrad geboren. Sieben Jahre später emigrierte er mit seinen Eltern in die USA und lebt heute in New York. Im Berliner Taschenbuch Verlag erschien 2005 sein Roman
Handbuch für den russischen Debütanten
, der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde.

 
     
     
     
     
    Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem