Snack Daddys Abenteuerliche Reise
tue – ruckend und zuckend, immer in Gefahr, dass mich die Schwerkraft auf das dünne schwarze Band des Horizonts schmettert, dass spitze Felsen an meine Titten und Bäuche schrammen, Flüsse mir den Mund mit vermoostem Wasser füllen und Wüsten mir die Taschen mit Sand auskleiden und sich jede hart erkämpfte Landung in einen scharfen Absturz ins Nichts verwandelt. Und so mache ich es jetzt, Herr Doktor. Ich brause davon, weg von dem greisen Rebbe, der sich liebevoll an den Kragen meines Jogginganzugs klammert, fort über das Blattgemüse des Dorfes und seine vorgeschmorten Hammel, über den grün betupften Überhang zweier zusammenstoßender Gebirgsketten, die den prähistorischen Bergjuden Schutz vor den unheilbringenden Muslimen und Christen der Umgebung gewähren, über das geplättete Tschetschenien und das pockennarbige Sarajewo, über hydroelektrische Dämme und die leere Welt der Geister, über Europa, die herrliche Polis, die Bergfestung mit dem blauen Sternenbanner auf ihren Mauern, über die frostige Totenstille des Atlantiks, der mich am liebsten ein für alle Mal ertränken würde, immer und immer wieder, und schließlich näher, näher, näher, näher und näher zu ihr, der Spitze jener schlanken Insel …
Nordwärts fliege ich, zur Frau meiner Träume. Ich bleibe dicht über dem Boden, genau wie Sie gesagt haben, Herr Doktor. Ich versuche, einzelne Formen und Orte auszumachen. Ich versuche, mein Lebenwieder zusammenzustückeln. Da ist der pakistanische Imbiss in der Church Street, wo ich die ganze Küche leer gefressen und mich in Ingwer und eingelegten Mangos ertränkt habe, in scharfen Linsen und Blumenkohl, während die versammelten Taxifahrer mich anfeuerten und die Nachricht von meiner Unersättlichkeit an ihre Verwandten in Lahore funkten. Jetzt bin ich über der kleinen Skyline, die östlich des Madison Park entstanden ist, mit dem kilometerhohen Nachbau des Campanile von San Marco in Venedig, der goldenen Spitze des New-York-Life-Gebäudes, diesen Symphonien aus Stein, diesen modernistischen Formationen, die sich die Amerikaner aus mondgroßen Felsen geschnitzt haben müssen, diesem letzten Sichaufbäumen hin zu einer gottlosen Unsterblichkeit. Jetzt bin ich über der Klinik in der 24. Straße, wo mir einmal ein Sozialarbeiter gesagt hat, dass ich HIV -negativ bin, dass ich kein AIDS habe, worauf ich auf dem Klo voller Schuldgefühle um die schönen dünnen Jungen weinen musste, deren ängstliche Blicke ich im Wartezimmer an mir hatte abprallen lassen. Jetzt bin ich über dem dichten Grün des Central Park und fahre die Schatten junger Matronen nach, die ihre häppchengroßen orientalischen Hunde auf die kommunale Versöhnungswiese des Großen Rasens führen. Unter mir fliegt der trübe Harlem River vorbei; ich ziehe über das silbrige Dach des langsam vorwärts tuckernden Pendlerzuges und setze meinen Flug nach Nordosten fort; mein Körper ist müde und schlaff und bittet um Landeerlaubnis.
Jetzt bin ich über der South Bronx, längst nicht mehr sicher, ob ich noch fliege oder schon in olympiareifem Tempo über den Asphalt schlittere. Die Welt meiner Freundin greift nach mir und umfängt mich. In alle grausamen Wahrheiten der Tremont Avenue bin ich eingeweiht – wo einem anmutig geschwungenen Graffito zufolge BEBO ewig LARA liebt, wo mich die neonglänzende Fassade der tapferen Hühnerbraterei bittet, ihre ölig-süßen Aromen zu kosten, und der Schönheitssalon »Adonai« mir droht, meine schlaffe Lockenpracht aufwärts zu wenden und in Brand zu setzen wie die orangene Fackel der Freiheitsstatue.
Wie ein fetter Lichtstrahl sause ich durch Discounterläden, die Achtzigerjahre-T-Shirts und nachgemachte Rocawear-Jogginghosen verkloppen,durch die dunklen Sandsteinklötze der Sozialwohnungsbauten (Warnung: »Operation Sauberer Flur«. Und: »Unbefugte werden verhaftet!«), hinweg über die Köpfe der Jungen mit ihren gangfarbenen Stirnbändern und ihren Haarnetzen, die im Sattel ihrer Monsterräder miteinander Turniere ausfechten, über die dreijährigen dominikanischen Mädchen in ihren Tank Tops, mit ihren Strassohrringen, über den sauberen Vorgarten, wo die weinende dunkelhäutige Jungfrau nicht von dem Rosenkranz um ihren errötenden Nacken lassen kann.
An der Ecke 173. Straße und Vyse Avenue, auf den Eingangsstufen eines Sozialwohnungs-Ziegelbaus, übersät mit vom Winde verwehten Käsetörtchen und roten Lakritzstangen, hat mein Mädchen seinen nackten Schoß mit
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