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Snow Angel

Snow Angel

Titel: Snow Angel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Izabelle Jardin
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so sehr, dass sie derartig hätte frieren müssen. Sie spürte ihren Fuß nicht mehr. Es war gar kein Schmerz mehr da. Nur noch Schwäche. Langsam gab sie auf, legte den Kopf auf den Boden und flüsterte. Flüsterte immer leiser: „Simon, ich bin so müde. Simon, ich liebe dich. Wir sehen uns! Simon …!“
     
     

    Zwei Tage lang hatte er schon nicht mehr nach den Fallen gesehen. 
    Und er fluchte, dass er es sich nicht noch einen weiteren Tag aufgespart und die Wetterentwicklung so falsch eingeschätzt hatte. Beinahe eine Stunde lang musste er in seinem Wagen warten, den er, wie immer, an einer kaum einsehbaren Stelle im Wald verborgen abgestellt hatte. 
    Endlich hörte der schwere Regen dann doch auf. Kühl war es geworden und er nahm seine dünne Wachsjacke aus dem Kofferraum. Er wählte nicht den Spazierweg, sondern nutzte die Wildpfade. Der Boden war durchweicht und es dauerte eine Weile, bis er die erste Falle erreichte. 
    Sie war leer. 
    Bei besserem Wetter hätte er sie jetzt umgestellt, eine erfolgversprechendere Position gesucht. 
    An diesem Tag verging ihm aber die Lust dazu. Der Wald dampfte nach der Hitze des Tages wie eine Feuerstelle, die man gerade mit Wasser gelöscht hat. Mit tief gesenktem Kopf zog er stoisch den Berg hinauf, ließ den See links liegen, der jetzt bleigrau im trüben Licht durch die Bäume schimmerte. 
    Und stand plötzlich fassungslos vor der nächsten Falle. 
    Vollkommen unbeweglich starrte er minutenlang auf das grausige Bild, das sich ihm bot. 
    Das hatte er nicht gewollt! Er wäre im Leben nicht darauf gekommen, dass so etwas passieren könnte.
    Die schöne junge Frau sollte nicht ums Leben kommen! Sie ist ganz blass und ganz nass und sie ist tot. Jetzt bin ich ein Mörder, jetzt kriegen sie mich
, raste es durch seinen Kopf.
    Reinhard Westphal konnte nur noch einen Gedanken fassen. Er musste sie verschwinden lassen. Niemand durfte sie finden. 
    Wie ein Wahnsinniger arbeitete er. Die Stelle, an der sich eine Tanne mitsamt ihrem Wurzelwerk aus dem matschigen Boden gelöst und ein riesiges Loch hinterlassen hatte, schien ihm nur allzu geeignet. 
    Es dauerte Stunden, bis er erschöpft sein Werk betrachtete. 
    Ganz vorsichtig war er mit ihr gewesen, hatte die Falle von ihrem Fuß gelöst, sie hingetragen zu ihrem Grab, ihre Augen geschlossen und so etwas wie ein Gebet gemurmelt, während er begann, mit den bloßen Händen Erde auf den leblosen Körper zu häufen. 
    Als er fertig war, fiel sein Blick auf einen runden glänzenden Gegenstand, der im Farn lag. Nein, hatte er beschlossen, er würde die Grube nun nicht mehr öffnen, um ihr mitzugeben, was ihr gehörte, und steckte das Amulett in die Tasche.
     
    Ein neuer, erschreckender Gedanke war ihm durch den Kopf geschossen. Weiter oben am Berg gab es noch vier seiner Fallen. Er wusste, er würde dieses Waldstück nie wieder betreten, und musste jede Spur verwischen, alles verschwinden lassen, was mit ihm in Verbindung gebracht werden konnte. Bloß kein Aufsehen erregen! 
    Mit wackeligen Beinen machte er sich auf den Weg. 
    In seinem Nacken spürte er Blicke, die ihm zu folgen schienen. Die Augen des toten Mädchens ließen ihn nicht mehr los. Hinter jedem Busch witterte er eine Bedrohung, vermutete die sichere Entdeckung. Westphal lief wie um sein Leben. 
    Endlich hatte er alle Fallen eingesammelt und wollte sich an den Abstieg machen. Seine Waffe hielt er vorsichtshalber in der Hand. Man konnte ja nie wissen. 
    Da, plötzlich ein Geräusch! 
    Es hätte das Knacken eines Astes sein können. Er sah nach oben. Es war kein Ast. Es war ein Mensch! 
    Westphal schoss. Schoss ein zweites Mal. 
    Und rannte den Berg hinab, als sei der Teufel hinter ihm her.
     
     

26. Kapitel
     
     

    Der Cherokee rollt in gemütlichem Tempo über die Landstraße auf die Berge zu. 
    Simons Hand liegt auf Ninas Knie. Ab und an zwinkert er ihr durch die dunklen Gläser seiner Sonnenbrille zu. Lächelnd fällt ihr auf, dass sie offenbar immer gleichzeitig die Augen von der Straße abwenden, um für einen kleinen Moment Blickkontakt zu suchen. Die Sonne strahlt jetzt so intensiv von dem wolkenlos blauen Maihimmel, dass Nina geblendet die Augen schließt. Sie hat ein bisschen Zeit, sich über die Ereignisse der letzten Monate Gedanken zu machen.
    So viel ist passiert! 
    Bilder reihen sich in loser Folge vor ihrem inneren Auge aneinander. Manche versucht sie festzuhalten, andere bemüht sie sich, schnell aus ihrem Kopfkino-Kaleidoskop

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