Snuff: Roman (German Edition)
mit alter Bräunungscreme umrandet.
Der leibhaftige Branch Bacardi – seine schabende Hand und der Rasierer darin halten plötzlich inne. Er starrt den Monitor an und nimmt mit der Rasiererhand die Sonnenbrille ab. Er steht da wie versteinert; nur seine Augen bewegen sich, zucken hin und her zwischen dem Film und dem Gesicht des Jungen. Unter seinen Augen hängen verschrumpelte Falten violetter Haut. Unter seiner Sonnenbräune klettern blaue Adern an seiner Nase hoch. Noch mehr blaue Adern klettern an seinen Waden hoch.
Der junge Branch Bacardi, der ihn jetzt rauszieht und seine Ladung auf diese rosa Mösenlippen verspritzt, sieht exakt so aus wie der Junge mit den welken Rosen. Der Junge, der die Nummer 72 bekommen hat.
Nummer 72 steht mit seinen Rosen im Arm mit dem Rücken zu diesem Monitor und sieht nichts. Der Junge starrt auf den Monitor hinter Bacardi; dort läuft World Whore Two: Island Hopping , wo Cassie Wright gerade die Erektion eines jungen Hirohito tief in den Hals nimmt, eine Szene, die immer wieder von Aufnahmen der Enola Gay unterbrochen wird, die mit ihrer tödlichen Fracht auf Hiroshima zufliegt.
Nachdem World Whore Two den Porno-Oscar für die beste Mann-mit-zwei-Frauen-Szene bekommen hatte – wo Winston Churchill von Cassie Wright und Rosie Riveter einen Doppelblowjob bekommt -, zog sie sich für längere Zeit aus dem Filmgeschäft zurück. Ein ganzes Jahr.
Anschließend nahm sie den alten Rhythmus von zwei Filmen pro Monat wieder auf. Aus dieser Phase stammt Moby Dicked . Einen weiteren Porno-Oscar erhielt sie für die beste Analszene in A Midsummer Night’s Ream , von dem innerhalb eines Jahres eine Million Videos verkauft wurden. Nun schon weit über dreißig, stieg Cassie endgültig aus und brachte ein Shampoo mit dem Namen »100 Strokes« auf den Markt, ein Fliedershampoo in einer länglichen Flasche, die auffällig gebogen war. Die Geschäfte wollten die wacklige Angelegenheit nicht in ihre Regale stellen, und auf der Webseite gingen auch erst Bestellungen ein, nachdem sie das Zeug in zwei Filmen auffällig platziert hatte. In Much Adieu About Humping schob sich die Darstellerin Casino Courvoisier die Flasche rein und demonstrierte, wie die lange, geschwungene Form bis an den Gebärmutterhals vordrang und jedes Mal perfekte Vaginalorgasmen zeitigte. Als die Darstellerin Gina Galliano diese Nummer in The Twelfth Knight noch einmal vorführte, konnte der Einzelhandel »100 Strokes« nicht mehr vorrätig halten.
Wal-Mart war alles anderes als begeistert, durch so einen Trick gezwungen zu sein, Sexspielzeug im selben Gang wie Zahnpasta und Fußpuder feilzubieten. Erst gab es Proteste. Dann einen Boykott.
Danach versuchte Cassie Wright ein Comeback, aber die Filme aus dieser Phase werden auf den Monitoren hier garantiert nicht gezeigt. Ponygirl-Movies für den japanischen Markt, wo Frauen Sattel und Zaumzeug tragen und für einen peitschenschwingenden Mann Dressurkunststücke vorführen. Oder Fetischfilme wie Snack Attack , ein Genre, das sich Splosh-Film nennt, wo schöne Frauen nackt ausgezogen und mit Geburtstagstorten, Schlagsahne und Erdbeermousse beworfen und mit Honig und Schokoladensirup übergossen werden. Nein, niemand hier will sie in ihrem letzten Projekt sehen, einem Spezialistenfilm mit dem Titel Lassie Cum, Now!
Unter Brancheninsidern gehen Gerüchte um, dass der Film, den wir heute drehen, unter dem Titel World Whore Three: The Whore to End All Whores auf den Markt gebracht werden soll.
In World Whore One gibt es eine Szene, wo drei Landser ein Nonnenkloster im Elsass befreien, und als diese Szene kommt, setzt Branch Bacardi seine Sonnenbrille auf. Ohne Tracht und Schleier sieht man bei einer der Nonnen den Abdruck eines Stringtangas auf ihrer gebräunten Haut. Nicht eine einzige Nonne hat Schamhaare. Bacardis Finger tasten die Haut um eine seiner Brustwarzen ab, und schon kommt wieder der Rasierer zum Einsatz.
Die Assistentin mit der Stoppuhr und dem schwarzen Filzstift geht an mir vorbei und sagt: »Das sind Hundert-Milligramm-Pillen, also pass auf, wenn dir schwindlig wird...« Sie zählt es mir an ihren Fingern vor: »... Übelkeit, Schwellungen an Knöcheln und Beinen...«
Ich nehme noch eine Pille.
Branch Bacardi beugt sich ein wenig vor und greift sich mit beiden Händen ins Kreuz. Mit einer Hand zieht er am Gummiband seiner Boxershorts. Mit der anderen schiebt er den Plastikrasierer in den roten Satin und fängt an, sich den Hintern zu rasieren.
Die
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