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So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren

Titel: So bin ich eben - Erinnerungen einer Unbezaehmbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliette Gréco
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sind mit in ihre Wohnung in Saint-Germain-des-Prés gezogen.
    Charlotte und ich teilen uns ein großes Zimmer; aber die Spiele und das Lachen sind verschwunden. Ich vermisse die Gerüche des großen Hauses, den Duft des gewachsten und gebohnerten Holzes; und ich vermisse die Freude am morgendlichen Tau in unserem Garten.
    1936 kämpft meine Mutter an der Seite von Léon Blum für die Volksfront-Regierung. Sie lernt den Historiker Élie Faure kennen; der Intellektuelle, der durch sein monumentales Werk Geschichte der Kunst bekannt wurde, wird in der gesamten Kulturwelt geschätzt. Er ist ein Mann der Linken. Er unterstützt die spanischen Republikaner und steht der kommunistischen Partei nahe.
    Manchmal nimmt Mutter mich zu ihm mit. Zu diesem ruhigen Mann, der mich vorurteilsfrei betrachtet und der so warmherzig ist, dass es ihm sogar gelingt, mein Schweigen zu brechen, meinem Mund ein paar Worte zu entlocken. Élie Faure ist es auch gewesen, der bald schon mein Vergnügen am klassischen Tanz vorausgeahnt hat. Meine Mutter und er waren bis zu seinem Tod 1937 enge Freunde. Er wurde vierundsechzig Jahre alt.
    Leider konnte er das Büchlein meiner Mutter nicht mehr in Händen halten. Visages hieß ihr Essay über die Schönheit, der in einem neuen Verlag erschien, der bald Bankrott machte. Das Buch hat sie unter dem Pseudonym Élise Gaubry veröffentlicht; der Nachname ist eine Verballhornung des Namens des ersten Mannes ihrer Mutter, und Élise ist die weibliche Form des Vornamens ihres Freundes Élie Faure.
    Das Buch ist eine Reflexion über die Schönheit des weiblichen Gesichts und enthält auch kosmetische Ratschläge.
    Unternehmungslustig wie sie zu der Zeit ist, macht sie aus einem Teil ihrer Wohnung einen Kosmetiksalon.
    Mit ihrem widersprüchlichen Charakter – sie ist resolut und gleichzeitig empfindsam – durchmisst sie das Leben wie eine Kriegerin.
    Meine Mutter war ein Wunschkind, geliebt und umsorgt. Ihrer glücklichen Kindheit verdankt sie ihre Kraft. Ihre starke Persönlichkeit und ihren Mut hat sie von ihrer Großmutter Maria Luisa geerbt. Der Wind der Freiheit umweht sie. Aber sie selbst vergisst, die empfangene Zuneigung weiterzugeben. Ihre eigenen Kinder stören sie. Ich bin ein Betriebsunfall.
    Wenn mein sanftmütiges Gesicht und meine fragenden Augen ihren Blick suchen, treibe ich sie zur Weißglut. »Du bist die Frucht einer Vergewaltigung«, sagt sie mir in einem Anfall von Zorn. Und ich frage mich mit meinem kindlichen Gemüt, auf welchen Bäumen solche Früchte wachsen …
    Manchmal stellt sie meine Vorstellungskraft mit einer schrecklichen Behauptung auf die Probe: »Du bist ein Findelkind!«
    Wo wurde ich gefunden und wann?, frage ich mich und leide.
    Je weniger ich geliebt werde, desto mehr schotte ich mich ab. Ich bin schweigsam und unberechenbar geworden. Manchmal suche ich sogar die Gefahr.
    So beschließe ich an einem schönen Frühlingstag, eine Hofrunde auf dem Sims des fünften Stockwerks zu drehen. Der ist so schmal, dass ich kaum einen Fuß vor den anderen setzen kann; ganz dicht an der Hausmauer blicke ich in den Abgrund. Das Entsetzen und der Zorn meiner Mutter, als ich nach Beendigung meiner Runde durch ihr Bürofenster wieder hineinklettere, überraschen mich sehr.
    Ich bin ein schreckliches Kind.
    Mir ist es gelungen, dass Lehrer, wie sie für katholische Einrichtungen typisch sind, mich nie länger als drei Monate unterrichten wollten. Gegen mein Schweigen und meinen finsteren, glühenden, fragenden Blick waren die Erwachsenen machtlos; entweder verwiesen sie mich von der Schule, oder sie ließen sich von meiner Erziehung entbinden. »Nichts interessiert sie. Sie sagt kein Wort, selbst ein Nicken wäre zu viel verlangt. Frech schaut sie einem ins Gesicht.« In diesen Chor stimmten alle meine Lehrer ein.
    Aber ich war frei. Das Gefühl der Freiheit erfüllte das kleine Wesen, das ich war. Von niemandem ließ ich mich beeinflussen. Daran werden sich auch die Schwestern und Schülerinnen des katholischen Internats in Montauban im Südwesten Frankreichs erinnern, in das mich meine Mutter im Herbst 1939 schickte; weit weg von ihr und ihren Liebesgeschichten.
    Ein Kreuzgang, eine Kapelle, ein wunderbarer Park und die luftigen Gebäude des Internats – die Schönheit des Ortes besänftigt mich.
    Die Blumen sind herrlich, es duftet. Ich lege mich ins Gras, kreuze die Arme und warte auf Gott, dass er wie versprochen zu mir kommt. Ich liebe dieses mystische Gefühl. Ich rede mit

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