So heissbluetig kuesst nur einer
Beisein sagen? Vorsichtig stand Lena auf und atmete einige Male tief durch.
„Geht’s?“, fragte Gabe. Als Lena nickte, griff er nach seinem Arztkoffer und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
Nun war sie allein mit Seth, und das Schweigen wurde langsam unerträglich.
„Du hattest eine Besprechung mit Dion?“
„Du hast wohl sehr hart gearbeitet?“
Sie stellten ihre Fragen gleichzeitig. Lena straffte sich und ging entschlossen zur Tür. „Ja, das kann man so sagen. Es geht gut voran.“
„Super“, stieß Seth hervor und mied plötzlich ihren Blick. „Wir sehen uns dann.“
Lena war enttäuscht. Hätte er ihr nicht wenigstens anbieten können, die Nacht bei ihr zu verbringen, falls sich tatsächlich eine Gehirnerschütterung bemerkbar machte? Traurig verschanzte sie sich im Büro und widmete sich wieder ihrer Arbeit, so gut es ging.
Verbittert über ihre Zurückweisung sprintete Seth durch die Katakomben zum Ausgang. Auch er hatte drei Tage lang rund um die Uhr gearbeitet, um Lena zu vergessen. Vergeblich. Er musste sie unbedingt sehen und in Ruhe mit ihr reden. Bei ihrem Anblick im Umkleideraum fing sein Herz an zu stolpern. Und dann dieser kalte Blick von ihr. Für sie war die Beziehung offensichtlich tatsächlich beendet. Für ihn jedoch nicht. Er würde später mit Lena reden. Jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt.
Ty sprach ihn auf dem Weg zum Wagen an. „Alles in Ordnung mit Lena?“, erkundigte er sich knapp.
„Ja, es scheint ihr gut zu gehen.“ Seth bemerkte, dass auch der andere Spieler aus dem Umkleideraum herangekommen war. Vermutlich als Verstärkung.
„Bist du sicher?“ Ty musterte ihn feindselig.
Seth stellte sich innerlich auf einen Faustkampf ein. Der kam ihm jetzt gerade recht. „Spielst du dich jetzt als großer Bruder auf?“ Provozierend erwiderte er Tys Blick.
„Wie kommst du darauf, dass ich Geschwisterliebe für Lena empfinde? Zwar hat sie mich auch abgewiesen – wie alle anderen Spieler – aber mir ist es ernst mit ihr. Sie verdient einen Mann, der ihr geben kann, was sie braucht.“
„Ach, und du weißt wohl, was sie braucht?“ Seth lachte höhnisch.
„Vielleicht besser als du.“
Seth hatte genug. Er stieg ins Auto und brauste davon. Seine wunderschöne Lena mit diesem Langweiler? Niemals!
Zu Hause riss er sich das Hemd vom Leib und bearbeitete mit bloßen Händen wütend den Sandsack. Eigentlich sollte ich Lena hassen, weil sie sich in eine Ehe gedrängt hat, dachte er. Eine Frau wie sie hatte die Ehe seiner Eltern zerstört. Doch er konnte Lena nicht hassen. Im Gegenteil! Außerdem hatte er am eigenen Leib erfahren, wie es sich anfühlte, zurückgewiesen zu werden oder nicht genug zu sein. Seine Mutter hatte sich mehr Kinder gewünscht. Er allein genügte ihr nicht. Und ihm allein war es nicht gelungen, die Ehe seiner Eltern zu retten. Wahrscheinlich konnte er niemanden glücklich machen. Deshalb hatte er auch beschlossen, es ganz allein zu etwas zu bringen. Er wollte von niemandem abhängig sein, um glücklich zu sein.
Dieser Vorsatz war in den vergangenen Wochen ins Wanken geraten. Verzweifelt und wütend hämmerte Seth auf den Sandsack ein. Immer wieder, immer härter. Als sein Vater die Familie verlassen hatte, hatte Seth sich geschworen, es zu Erfolg und Wohlstand zu bringen. Lena fühlte sich von ihrer Familie missachtet und ausgeschlossen und sehnte sich doch nach nichts weiter als Liebe und Anerkennung. Jedem Kind ging es so, auch wenn es bereits erwachsen war. Jeder Mensch wollte seine Eltern beeindrucken und von ihnen geliebt werden. Auch er!
Und dass er sich scheute, eine feste Bindung einzugehen, lag an seiner Angst, verlassen und verletzt zu werden. Genauso ging es Lena! Warum hätte sie sonst nach der ersten gemeinsamen Nacht darauf bestanden, einander nicht wiederzusehen?
Wie sollte es denn nun weitergehen?
Noch einige Hiebe, dann kam ihm die zündende Idee. Er konnte und wollte nicht ohne Lena leben. Wenn sie also auf einer Heirat bestand, dann wollte er ihr diesen Wunsch erfüllen. Doch bevor er diesen Schritt wagen konnte, musste er seine eigene familiäre Situation klären. Jason konnte ja nichts dafür, dass sein Vater ihn mehr geliebt hatte als seinen Erstgeborenen.
Er soll nicht so leiden wie ich damals, dachte Seth entschlossen, durchquerte den großen Raum und wühlte im Papierkorb. Der Brief von Rebecca lag obenauf. Seth riss den Umschlag auf und überflog die Zeilen. Rebecca wollte kein Geld, sondern bat ihn
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