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So kam der Mensch auf den Hund

Titel: So kam der Mensch auf den Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Konrad Lorenz
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erwähnten Hannoveraner Schweißhund heimbrachte, der es durchgesetzt
     hatte, mich nach Wien zu begleiten. Hätte ich Bullys Eifersucht vorausgesehen, dann hätte ich den schönen Hirschmann doch
     nicht mitgenommen. Tagelang währte die Atmosphäre verhaltenen Grimmes, ehe sich die Spannung in einem der erbittertsten Hundekämpfe
     entlud, die ich je erlebt habe, übrigens dem einzigen, der im |134| Zimmer des Herrn stattfand, wo gewöhnlich auch die schärfsten Feinde Burgfrieden halten. Als ich die Kämpfer trennen wollte,
     geschah es, daß mich Bully versehentlich in den Kleinfingerballen meiner rechten Hand biß. Der Kampf war damit zwar zu Ende,
     Bully aber vom schwersten Nervenschock befallen, den es für einen Hund überhaupt geben kann: Er brach buchstäblich zusammen.
     Denn obgleich ich ihm nicht die geringsten Vorwürfe machte, sondern ihn sofort streichelte und ihm freundlich zusprach, lag
     er wie gelähmt auf dem Teppich, unfähig, sich zu erheben. Er zitterte wie im Schüttelfrost, und in Abständen von wenigen Sekunden
     durchlief ein Schauer seinen Körper. Seine Atmung war ganz oberflächlich, von Zeit zu Zeit nur drang ein tiefer, stoßender
     Seufzer aus seiner gequälten Brust, aus seinen Augen kollerten dicke Tränen. Ich mußte Bully an jenem Tage in meinen Armen
     zur Straße hinuntertragen; den Weg zurück ging er zwar selbst, doch hatte die vegetative Störung den Tonus, die Spannkraft
     der Muskulatur, so verringert, daß er nur mit Anstrengung die Stiege zu erklimmen vermochte.
    Jeder, der den Hund sah, ohne die Vorgeschichte zu kennen, mußte ihn für körperlich schwer krank halten. Es dauerte mehrere
     Tage, bis er wieder fraß, und selbst dann nahm er Futter nur nach langem Zureden und nur aus meiner Hand. Wochen nachher noch
     verharrte er vor mir in übertriebener Demutstellung, die von dem sonstigen Verhalten des eigenwilligen und wenig botmäßigen
     Hundes traurig abstach. Sein schlechtes Gewissen rührte mich um so mehr, als ja ich kein besseres hatte: Die Anschaffung Hirschmanns
     dünkte mich jetzt als unverzeihliche Roheit.
    Ebenso eindrucksvoll, wenn auch nicht derart herzzerreißend, war ein Erlebnis mit einem männlichen englischen Bulldogg, der
     einer benachbarten und befreundeten Familie in Altenberg gehörte. Bonzo, so hieß der Rüde, war zwar gegen Fremde scharf, für
     hundeverständige Freunde der Familie aber recht zugänglich, zu mir sogar höflich: Freudig begrüßte er mich, wenn wir einander
     unterwegs trafen. Einst war ich auf Schloß Altenberg, dem Heime Bonzos und seiner |135| Herrin, zur Jause geladen. Von auswärts kommend, hielt ich mein Motorrad vor dem Eingang des einsam im Walde liegenden Schlosses
     an, und als ich mich bückte, um die Maschine auf den Ständer zu stellen, wobei ich der Tür den Rücken zukehrte, schoß Bonzo
     wütend daher, erkannte verzeihlicherweise meine mit einem Overall bekleidete Hinterfront nicht und packte mich kräftig am
     Bein, das er nach Bulldoggenart nicht mehr losließ. Derlei ist schmerzhaft; ich brüllte demnach auch laut und vorwurfsvoll
     Bonzos Namen. Wie von einer Kugel getroffen, fiel das Tier von mir ab und wand sich, Verzeihung erflehend, auf dem Boden.
     Da offenbar ein Mißverständnis vorlag und meine Sportkleidung eine ernstliche Verletzung verhinderte – etliche blaue Flecken
     zählen für einen Motorradfahrer nicht   –, so redete ich dem Hunde freundlich zu, streichelte ihn und wollte die Sache auf sich beruhen lassen. Nicht so Bonzo. Die
     ganze Zeit, die ich auf dem Schlosse blieb, folgte er mir nach, während der Jause saß er eng an mein Bein gelehnt, und sooft
     ich ihn auch nur ansah, setzte er sich hoch aufgerichtet mit weit zurückgelegten Ohren und schmerzlich vorquellenden Bulldoggaugen
     vor mich hin und suchte sein Bedauern durch phrenetisches Pfotengeben auszudrücken. Selbst als wir einander etliche Tage später
     zufällig auf der Straße begegneten, begrüßte er mich nicht wie bisher mit Emporspringen und plumpen Scherzen, sondern nahm
     die beschriebene Demutstellung an und gab mir die Pfote, die ich herzlich schüttelte.
    Bei der Beurteilung des Verhaltens dieser beiden Hunde ist zu beachten, daß keiner je vorher weder mich noch einen anderen
     Menschen gebissen hatte. Woher wußten sie also, daß das, was sie getan hatten, wenn auch nur aus Versehen, ein so verdammenswertes
     Verbrechen war? Sie mögen wohl in einer ähnlichen Seelenverfassung gewesen sein wie ich, als ich

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