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So schoen Tot

So schoen Tot

Titel: So schoen Tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christiane Franke , Sandra Luepkes
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Portemonnaie gesteckt. Vielleicht war ich so verzweifelt, aber es kann auch sein, dass ich es als Witz empfand.
    Ich weiß es inzwischen nicht mehr, es war alles so   … verwirrend. Jedenfalls habe ich diese Anzeige mit dem Foto und der Telefonnummer mit mir rumgeschleppt.
    Jeden Morgen nach dem Duschen gehe ich auf die Waage. Das mache ich seit Jahren so. Es ist die tägliche selbstquälerische Wiederholung der immer gleichen Handlung. Aber was soll ich sagen: Am Ende des ersten Tages hatte ich fast 800   Gramm abgenommen. So etwas kam schon manchmal vor, besonders wenn ich eine neue Diät begann, dann ging es oft in den ersten Tagen grammweise abwärts. Aber ich hatte keine neue Diät begonnen, sondern einen neuen Pizzaexpress ausprobiert. Ich war überrascht, verwundert, verwirrt. Am nächsten Tag waren es wieder 350   Gramm weniger. Trotz Marsriegel und Bier.
    Der darauffolgende Tag war völlig irre. Ich fraß praktisch gegen das Abnehmen an. Ich wollte mir beweisen, dasses Quatsch war, Spinnerei, Betrug, ein Ding der Unmöglichkeit, aber ich hatte am folgenden Tag fast 500   Gramm weniger.
    Diese dämliche Anzeige war schon ganz abgegriffen, so oft habe ich sie in die Hand genommen, aber dann waren diese drei Tage ja um, und ich nahm wieder zu. Was ich an drei Tagen verloren hatte, holte ich an einem einzigen wieder auf, dabei hatte ich keine Schokoriegel gegessen und erst recht keine Pizza. Irgendwie schien mein Gewicht nichts mehr mit meinem Essverhalten zu tun zu haben.
    Ich rief die Telefonnummer an. Eine rauchige Frauenstimme meldete sich verheißungsvoll mit: »Anita   …«
    Es hörte sich mehr nach Telefonsex an als nach einer Möglichkeit, das Gewicht zu reduzieren. Ich sagte mein Sprüchlein auf und fragte, was ich tun könnte, um weiter abzunehmen.
    Anita lachte fröhlich und gab mir einen Termin.
    Um 20   Uhr am Pius-Hospital. Ich fragte zweimal nach: am, nicht im?
    Ich war da und ging vor der Drehtür an der Pforte auf und ab. Anita ließ mich zwanzig Minuten lang warten. Aber dann kam sie. Sie trug eine billige blonde Langhaarperücke, einen schwarzen Lederrock und Stiefel, die aber nicht zum Rock passten. Unten sah sie rattenscharf aus und oben wie eine Betschwester mit viel zu weitem, selbstgestricktem Pullover. Das passte nicht zusammen. Auch ihr Gesicht harmonierte nicht mit der Perücke. Wenn man sie von Weitem sah, erwartete man eine gut geschminkte Frau mit knalligen Lippen und langen falschen Wimpern. Aber ihre Haut war blass, ihre Lippen schmal, und ein bisschen Puder oder Creme hätten ihr ganz gutgetan.
    Mir kam der Gedanke in den Sinn, dass sie aussah wie eine Bordsteinschwalbe nach Dienstschluss. Schon abgeschminkt, aber noch nicht wieder ganz in Zivilklamotten.
    Sie hatte abgekaute Fingernägel, was schon bei Männern peinlich ist, bei Frauen aber völlig assi aussieht.
    Wir gingen ein Stückchen nebeneinander her. Es war eine Art zielloses Flanieren. Ein frischer Wind tat gut. Es war, als würden die Autoabgase aus der Stadt getrieben. Ihre blonden Locken wippten bündelweise bei jedem Schritt.
    Sie stellte sich als Hexe vor.
    Nun, das muss man erst einmal verdauen. Sie sagte, sie habe diese Gabe von ihrer Mutter. Sie wisse auch nicht, ob es ein Segen sei oder ein Fluch, aber sie könne Energien übertragen.
    Das wirke nicht bei allen Menschen, aber wenn jemand empfänglich dafür sei, dann ginge es auch per Telefon oder sogar per Zeitungsanzeige. Die Energien würden sich in kleinen Dosen übertragen, ähnlich wie bei der Homöopathie, wo Tinkturen so oft verdünnt würden, bis sie nicht mehr nachweisbar seien, aber funktionieren würde es eben trotzdem.
    »Wer heilt«, sagte sie, »hat recht. Gleichgültig, was Wissenschaftler, Schulmediziner oder Krankenkassen dazu sagen.«
    Sie hätte sich zu gern mit mir in ihrer Wohnung getroffen, aber das ging nicht. Ihr Mann sei ein Tyrann und reagiere total allergisch auf ihre Künste, ja, sie sagte Künste.
    Sie schüttelte die falschen Locken und lächelte gequält. »Wo die Liebe hinfällt.«
    Eine Energieübertragung wirke immer nur eine Weile, lernte ich, meist drei Tage, dann nehme die Kraft ab, weil die Person so vielen anderen Einflüssen ausgesetzt sei. Dauernd latsche einem im Alltag einer durch die Aura, und das hinterlasse eben Spuren. Ich hätte zum Beispiel viel mit schlechten und lieblosen Menschen zu tun, das habe sie gleich an meiner Aura gesehen. Ich weiß zwarnicht, wie man eine Aura erkennen kann, aber sie hatte

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