So schoen Tot
immer ziemlich kräftig gewesen, und die Oberschenkel erst … Mannomann. Dafür hatte sie nichts in der Bluse, aber Schultern wie eine chinesische Kugelstoßerin. Auch mit der Haarfarbe hatte sie kein Glück, aber das ließ sich ja recht einfach beheben. Damit fing die Sache an.«
Kommissar Bertram rief sich das Gesicht und die Figur der Toten im Fitnessstudio ins Gedächtnis und versuchte verzweifelt, Sabine Trautweins Beschreibung ihrer Freundinmit der vom Spinning-Bike gekippten Super-Barbie in Deckung zu bringen. Vergeblich. Vorsichtig, weil er fürchtete, einem schweren Irrtum aufgesessen zu sein, bat er die Zeugin, näher auszuführen, womit »die Sache« angefangen habe.
»Na, mit dem Haarefärben.« Sabine Trautwein blickte ihn irritiert an. »Ein mitleidiger Friseur hat ihr etwas Rotes gemacht, zum halben Preis, da war sie fünfzehn.
Nacht über Kaschmir
hieß die Farbe. Darf ich rauchen?«
Es war eine rhetorische Frage, und Kalle Bertram nickte schicksalsergeben. Zeugen auf Nikotinentzug wurden hektisch und unleidlich, verschwiegen wichtige Dinge, damit sie möglichst schnell hinaus und an ihren Glimmstängel kamen. Rauch im Raum war also das kleinere Übel.
»Nach dem Schulabschluss nahm sie ein paar Kilo ab. War ein guter Anfang, aber natürlich längst nicht genug.«
Sie legte die angezündete Zigarette in den Aschenbecher. Der Filter war so dunkellila wie ihr Lippenstift. Bertram fühlte, wie ihm das Blut aus dem Kopf sackte.
»Vor ein paar Monaten las sie einen Artikel in einer Frauenzeitschrift, die ich ihr gegeben habe.«
Sabine Trautwein schüttelte traurig den Kopf. »Daraufhin beschloss sie, ihrem Leben eine neue Wendung zu geben.«
Bertram entschuldigte sich und stürzte hinaus auf den Flur. Kalter Schweiß hatte sich auf seiner Stirn gebildet. Warum merkten die Weiber eigentlich nicht, wie ekelhaft diese Abschmiererei ihres Lippenstiftes an allen möglichen Gegenständen war? Die Kaffeetasse und das Wasserglas sahen aus, als habe jemand mit blutigen Fingern über den Rand gewischt, der Zigarettenfilter erinnerte ihn an die Tamponade beim Zahnarzt, als der ihm den faulen Zahn gezogen hatte, und jetzt hatte die Tussi sich auch noch mit einem Papiertaschentuch die Reste der rotvioletten Farbeaus den Mundwinkeln gewischt und das Tuch offen auf dem Tisch liegen gelassen.
Bertram ging in den Waschraum, schaufelte sich kaltes Wasser ins Gesicht und überlegte zum hundertsten Mal, welchen Beruf er mit seiner Ausbildung finden könnte, in dem er nicht ständig mit Mord und Totschlag zu tun hätte.
Kommissarin Steffi Gebert und Franziska Becker waren inzwischen bei den Geschehnissen der letzten Tage angekommen.
»Eine Kur wegen des Asthmas und anschließend Urlaub, das hatte sie mir gesagt. Sechs Wochen mindestens. Letzten Freitag habe ich sie dann wiedergesehen. Im Studio. Sie kam herein, grüßte uns, aber ich habe sie nicht erkannt. Erst als Sabine sie begrüßte, kam mir die Idee, dass das Melanie sein könnte, obwohl der Gedanke eigentlich völlig absurd war. Die Frau vor uns wirkte um Jahre jünger, die Nase war nicht mehr platt und breit, sondern ganz zierlich und wohlgeformt, sie hatte eine schlanke Taille und einen knackigen Po. Ihre Beine: lang, schlank und glatt, ohne diese Stoppeln, die am zweiten Tag nach dem Rasieren immer auftreten.«
Franziska Becker errötete. Sie hatte wenigstens so viel Anstand, es ein wenig unmoralisch zu finden, solche Dinge über die soeben Verstorbene zu erzählen.
»Ihre Veränderung fiel umso mehr auf, weil sie nicht, wie früher, lange Schlabberhosen und ein XXL- T-Shirt trug, sondern megakurze Shorts und ein bauchfreies Top. Noch dazu Markenklamotten.«
Die Gebert hatte trotz des Tonbands mitgeschrieben und gehofft, dass sie nicht selbst rot wurde. Wegen der Stoppeln auf den Beinen. In ihrem Job war Zeit oft genug ein knappes Gut. Duschen, Haare waschen, fertig. Mit Maniküre, Make-up und Haarentfernung stand sie auf Kriegsfuß.Nun, immerhin hatte es auch sein Gutes. Ein burschikoser Typ wie sie wurde von den Kollegen nicht dauernd angebalzt. Und auch die Zeugen nahmen sie ernst. Aber manchmal wünschte sie sich doch …
Steffi Gebert hob den Kopf und runzelte die Stirn. »Wie hat sie das denn geschafft?«
»Okay, jetzt wird’s eklig«, begann Franziska Becker.
Kommissar Bertram hatte sich wieder gefangen und die Befragung der Zeugin Sabine Trautwein fortgesetzt.
»Und dann, als Ihre Freundin Melanie am Freitag plötzlich total
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