So schoen Tot
lagerte nicht etwa in geheimen Regierungslaboratorien, sondern zirkulierte in Arztpraxen?
»In extrem starker Verdünnung – nur einige MilliardstelGramm pro Spritze – findet es heute viele medizinische Anwendungen. Dieser Schönheitskram ist nur ein Bereich, sonst hilft es bei nervösen Störungen, Migräne und anderem.«
In Zukunft würde Bertram bei jedem Medikament, das sein Arzt ihm verschrieb, genau nachfragen, um was es sich handelte. Biowaffen jedenfalls kämen ihm nicht in den Arzneischrank.
»Es ist aber bekannt, dass Botox sich nicht mit Aminoglykosid-Antibiotika verträgt. Die Kombination muss nicht immer tödlich enden. Aber in Verbindung mit sportlicher Überanstrengung ist das Risiko enorm.«
»Und warum hat sie dieses Antibiotikum genommen?«, fragte Bertram.
»Sie hatte eine Entzündung am Absaugkanal des linken Auges.«
Bertram kämpfte die Übelkeit nieder, dankte Frankenfeld und schaffte es bis zum Waschraum. Dort gab er endlich sein Frühstück von sich. Wenigstens war die Sache damit geklärt und er diesen Fall los. Herzversagen nach Antibiotika nach Schönheits-OP. Dumm gelaufen.
Kommissarin Steffi Gebert wollte sich damit nicht zufriedengeben. »Der Arzt sagt, dass er ihr ein anderes Antibiotikum verschrieben hat, und die Versandapotheke hat das Rezept vorgelegt. Der Arzt sagt die Wahrheit.«
»Dann hat eben die Versandapotheke das falsche Zeug verschickt.«
Steffi Gebert sprang auf, fuhr sich mit beiden Händen durch die kurzen Haare und stellte sich ans Fenster. Da gingen sie dahin, die gestrigen Zeuginnen, die eine auf ihren Stilettos, die andere in Gesundheitslatschen. Die zwei Freundinnen kümmerten sich rührend um Melanies Mutter und bereiteten die Beerdigung vor. Gerade hattensie die persönlichen Dinge der Toten abgeholt − nur der Blisterstreifen mit den Antibiotika-Kapseln lag in der Asservatenkammer, darauf hatte sie bestanden. Die Gebert schnaufte.
Bertram seufzte. »Und welches Motiv sollten sie gehabt haben?«
»Spieglein, Spieglein, an der Wand …«
Bertram blickte sie irritiert an.
»Eifersucht, Neid, Konkurrenz − nenn es, wie du willst. Durch ihr neues Aussehen war Melanie plötzlich der Star unter den dreien und die Trautwein nur noch zweitklassig. Dass die heimliche Anführerin dieses Trios sich ihren Status einfach so abjagen lässt, glaube ich im Leben nicht.«
Bertram stellte wieder einmal fest, dass die Welt der Frauen für ihn ungefähr so bekannt war wie die Tiefsee. Kein Mensch mordete, bloß weil ein anderer plötzlich besser aussah. Im Märchen, ja. Aber in der Realität?
»Und wie hätte die Trautwein den Mord bewerkstelligen sollen?«
»Sabine Trautwein ist pharmazeutisch-technische Assistentin und arbeitet stundenweise in der Sonnenapotheke. Die kennt sich aus mit Antibiotika, kann vermutlich auch ein Rezept fälschen oder etwas mitgehen lassen, ohne dass es auffällt. Und dann jubelt sie der neuen Schönheitskönigin das falsche Medikament unter.«
Bertram seufzte. »Du bist paranoid. Vergiss es. Der Fall ist abgeschlossen.«
Dass Kollegin Gebert offenbar selbst ein Problem damit hatte, dass andere Frauen schöner waren als sie, hätte er früher nie geglaubt, aber inzwischen schien es ihm offensichtlich. Allerdings behielt er das lieber für sich.
Ich habe immer noch die Fingerabdrücke von den Wassergläsern, die die Zeuginnen während der Befragung in Händen gehalten hatten, dachte die Gebert währenddessentrotzig. Die Gläser hatte sie relativ spontan mit in den Karton der Asservatenkammer gepackt. Sie musste nur noch erreichen, dass die Fingerabdrücke mit der Blisterpackung des Antibiotikums verglichen wurden. Leider nicht ganz leicht, da der Fall offiziell abgeschlossen war.
Aber für sie war er das nicht. Sie würde die Trautwein schon noch drankriegen. Das war alles eine Frage der Zeit. Vielleicht wäre sie im Knast dann wieder die Schönste.
Franziska Becker warf schnell einen Blick in Melanies Tasche, bevor sie sie der Mutter gab. Das Antibiotikum fehlte. Sieh an, das hatte ja besser funktioniert, als sie es zu hoffen gewagt hatte. Sie unterdrückte ein Grinsen. Vielleicht würde der Fall ja bald wieder aufgenommen werden.
Natürlich war es unfair, dass dann Sabine dran glauben musste – aber was war im Leben schon fair? Wurde das Aussehen fair verteilt? Nein. Interessierten sich die Männer für die klugen Frauen? Nein, sie fielen immer auf die Schönen herein. Ach, Sabine war nicht durch und
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