So schoen Tot
gleich beim ersten Opfer überanstrengen.
»Nicht in der Spannung nachlassen!«, kreischt der Turntyrann jetzt, und zum zweiten Mal an diesem Tag zittern mir die Beine. »Geniiiießen Sie die Dehnung, atmen Sie lang ein und aus. Spüren Sie in sich hinein!«
Das kann ja wohl nicht ihr Ernst sein. Ich bin vom Genuss so weit entfernt wie ein Schwein von einer Seiltänzerkarriere, meine Atmung geht flach wie die einer hundertjährigen Asthmatikerin, und in mir spüre ich nichts als eine aufkommende Formaldeydvergiftung. Ich muss hier raus.
»NICHT IN DER SPANNUNG NACHLASSEN!« Shivamukta scheint mir die Kapitulationsgedanken vonder Stirn abgelesen zu haben. Wütend klappert sie mit den schmierigen Wimpern. Sofort gehorche ich.
»Sehr gut!«, werde ich unverzüglich gelobt, und albernerweise verspüre ich dabei sogar ein bisschen Stolz. Das Rauchwerk hat mir die Sinne benebelt!
»Uuuuund lösen.« Kurz glaube ich, mich verhört zu haben, aber nein, meine Peinigerin erlaubt mir tatsächlich, den geschundenen Körper wieder aufzurichten. Doch für Freude ist es zu früh.
»Und jetzt die andere Seite!«
Das geht mir nun doch entschieden zu weit. Schnell entschlossen, wie schon lange nicht mehr, schnappe ich meinen Zimmerschlüssel, renne aus dem Zimmer und bremse nicht mal ab, als mir ein energisches »Wollen Sie etwa eines Tages schief werden?« hinterherpeitscht. Lieber schief, aber dafür lebendig, denke ich und streiche auf dem Zimmer sofort die tyrannische Yogalehrerin von meiner Opferliste. Nicht ohne hinzuzufügen: »Besser vergiften oder mit der Axt enthaupten.« Dann wähle ich die Nummer meines Orthopäden.
5.
Keine Stunde später liege ich erneut aufgebahrt im Spa-Bereich, dieses Mal für das Verwöhntreatment nach der Methode »Maria Marand«. Was auch immer das ist, es klingt, als könnte ich es dringend brauchen. Mein Brustkorb schmerzt, die Muskeln zittern, und mein Rücken fühlt sich an, als hätte ich Hella von Sinnen Huckepack und im Laufschritt durch den kugelbefeuerten Kosovo geschleppt. Ja, ein bisschen Entspannung habe ich mir wirklich verdient.
Noch ohne genau zu wissen, was mich nun hier erwartet, genieße ich die beheizte Liege, auf die man mich gebettethat. Herrlich! Eine junge Kosmetikerin, die laut Namensschild Chantal heißt und die so harmlos und friedfertig aussieht, wie man es sich nach einem anstrengenden Tag wünscht, trifft ohne Hektik Vorbereitungen. Offenbar wird bei der Maria-Marand-Entspannungskur nichts dem Zufall überlassen. »Wie lange liggt letzte Kosmätikbehandlung zurrruck, Herr Krakow?«, will meine Therapeutin wissen, und ihr Akzent klingt so gar nicht nach Chantal. Eher nach Svetlana, was irgendwie schade ist. Seit den Provence-Romanen habe ich ein Faible für die französische Sprache entwickelt und hätte gern ein paar Worte parliert. Andererseits rollt Chantal das R in meinem Namen, wie es für einen Krakow angemessen ist. So, wie sie es ausspricht, klingt es verdammt nach Serienkiller. Sofort weiß ich: Sie ist die Richtige! Wer das R rollt, als sei er in der russischen Tundra geboren, der hat es auch verdient, in Victor A. Krakows Krimibestseller verewigt zu werden. Und zwar als Leiche. Immerhin eine Hauptrolle.
»Sie mussen nicht genieren, falls noch nie Gesichtsbehandlung gehabt«, sagt Chantal nun und schenkt mir ein ermutigendes Lächeln. »Männer trauen sich oft nicht. Aber wenn Behandlung vorbei, machen gleich nächste Termin.«
Das glaube ich ihr aufs Wort. Auch ich beabsichtige, nach dieser Stunde noch mal bei ihr vorbeizukommen. Wenngleich mein Anliegen dann nicht mehr ganz so entspannend sein wird. Aber davon ahnt Chantal ja zum Glück nichts.
»Weil haben Sie grroße Behandlung gebucht, bedeutet, dass wir beginnen mit Entschlackungswickeln.«
Sie sieht mich an, als müsse ich wissen, was damit gemeint ist. Weiß ich aber nicht. »Während Sie ziehen sich aus, ich hole Wickel.«
Wie gesagt: Ich hatte keine Ahnung. Sonst wäre ich beider Auswahl meiner Unterwäsche sicher kritischer gewesen. So entblättere ich mich in Zeitlupe und wünsche mir bei jedem fallenden Kleidungsstück Shivamukta zurück. Vor ihr hätte ich mit Sicherheit keine Scham gehabt. Vor ihr wären mir meine blasse Hautfärbung, der Bauchansatz und die Unterhose mit dem Aufdruck »Starfighter« herzlich egal gewesen. Vor Chantal ist es wie ein Furz beim Kaffeekränzchen: megapeinlich.
Als die adrette Kosmetikerin mit den Wickeln zurückkehrt, liege ich verschämt in ein
Weitere Kostenlose Bücher