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So still die Nacht

So still die Nacht

Titel: So still die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
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an.
    »Ich habe Sie niemals in die Irre geführt.«
    »Nein.« Sie warf den Schirm weg und ließ sich gegen einen Baumstamm sinken. »Offensichtlich habe ich mich selbst in die Irre geführt.«
    »Es war ein Flirt, Lucinda.«
    Sie versteifte sich. »Nicht nur das.«
    »Wir haben uns geküsst.«
    Sie wandte den Blick ab, schüttelte den Kopf und lächelte bitter. »Gott sei Dank habe ich mich für Trafford aufgespart. Er ist die große Leidenschaft meines Lebens.«
    Er sah die Lüge in ihren Augen, und für einen Moment hatte er Mitleid mit ihr. Sie hatte getan, wozu jede junge Dame ihrer Klasse und ihres gesellschaftlichen Stands erzogen wurde. Sie hatte einen wohlhabenden Adligen betört und ihre prächtige Hochzeit gehabt. Jetzt sah sie sich mit einem Mann vermählt, den sie kaum kannte – einem älteren Mann, für den sie keine besondere Leidenschaft empfand. Aber ihre Ehe war nicht seine Sorge.
    »Das ist wunderbar. Ich wünsche Ihnen nur das Beste, Lucinda.«
    »Sie wird Sie schnell langweilen«, murmelte sie gehässig. »Sie ist eine kleine graue Maus, Mark, das ganze Gegenteil der Art von Frau, die Sie brauchen.«
    Ihre Lippen waren zu einem schmalen Strich verzogen, und das Leuchten in ihren Augen hatten etwas Grausames, etwas, das er noch nie zuvor wahrgenommen hatte. Eifersucht konnte einem Menschen offenbar schreckliche Dinge antun. Er konnte sich nicht aus erster Hand an das Gefühl erinnern.
    Trafford kam von der Schießanlage zurück. Bei jedem zweiten Schritt drückte er seinen Gehstock in den Boden. Ein unbehagliches Schweigen lag in der Luft, während sie auf ihn warteten.
    »Lucinda.« Lord Trafford blieb am Rand der Decke stehen. Sonnenschein verwandelte das Prisma seines Gehstocks in einen Miniaturregenbogen. »Der Schießwart hat sich bereit erklärt, dich schießen zu lassen. Ich habe ihm dafür zugesagt, im Frühjahr die Pflanzen für den nördlichen Teil des Gartens zu finanzieren. Dein Wunsch wird dir also erfüllt. Aber nur für heute.«
    »Sehen Sie, Lord Alexander, es ist genau so, wie ich gesagt habe.« Leuchtend rote Flecken standen auf ihren Wangen. »Mein Mann verwöhnt mich, wo er nur kann.«
    Lord Trafford lächelte, sichtlich erfreut über ihr Lob. Er bot ihr die Hand und half ihr, von der Decke aufzustehen. Dann erkundigte er sich: »Lord Alexander, möchten Sie mitkommen und zuschauen? Sie könnten Lucindas Taubenschießen bewerten.«
    »Vielen Dank, Lord Trafford, aber ich werde hierbleiben«, antwortete Mark höflich. Er hatte Taubenschießen schon immer für einen feigen Sport gehalten.
    Lord und Lady Trafford verschwanden zwischen den Baumreihen. Mark blieb auf der Decke sitzen und beobachtete das Spiel – beobachtete Mina. Doch als er die unverkennbare Intensität von jemandem spürte, der seine Aufmerksamkeit auf ihn richtete, ließ er den Blick über das Gelände wandern. Am anderen Ende des Rasens ging eine Frau langsam hinter den Säulen des Clubhauses entlang und schaute unter der Krempe ihres extravaganten scharlachroten Huts hervor. Es war Selene, gekleidet mit all ihrer gewohnten Eleganz.
    Das Geräusch von Flintenschüssen hallte durch die Bäume – eine Abfolge von drei Schüssen, direkt hintereinander. Lucinda schoss auf Tauben, die aus einem Käfig freigelassen wurden.
    Mark fühlte sich ähnlich wie eine dieser Tauben, nur dass er unter Beobachtung seiner Schwester stand. Wenn Selene seine Vollstreckerin sein wollte, dann mochte es so sein. Aber es gab keinen Grund für sie, im Schatten der Bäume zu lauern und sich an ihn heranzupirschen – und ihn merken zu lassen, dass sie ihn verfolgte.
    Er stand auf. Er würde einfach zu ihr hinübergehen, um mit ihr zu reden. Gewiss war sie nicht hergekommen, um auf dem Kricketfeld mit ihm zu kämpfen.
    Als er über den Rasen ging, schaute er noch einmal zu Mina hinüber. Sie wartete auf den nächsten Aufschlag ihrer Gegner. Die kurzsichtige Evangeline schlug auf den Federball ein, als der längst im Sinkflug war.
    Seine Sinne schrien ihm eine Warnung zu.
    Irgendetwas schoss mit gefährlicher Geschwindigkeit durch die Bäume auf Mina zu. In der nächsten Sekunde gellte der unverkennbare Knall eines Schrotschusses durch den Park. Mark vergaß Selene und rannte auf Mina zu; Furcht schnürte ihm die Brust zu.
    Mina wirbelte herum, blieb aber stehen; ihr Schläger war herabgesunken. Sie bewegte sich nicht. Stattdessen stand sie wie gelähmt da.
    »Sind Sie getroffen worden?« Mark packte sie an den Schultern und ließ sie

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