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So still die Nacht

So still die Nacht

Titel: So still die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
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ins Gras gleiten. Er berührte die zerrissene Seide ihres Rocks und schaute ihr ins vollkommen ausdruckslose Gesicht. Wenn sie angeschossen worden war, hatte sie es nicht bemerkt.
    Lord und Lady Trafford kamen auf sie zugeeilt. Lucinda, aschfahl im Gesicht, trug eine doppelläufige Schrotflinte, die sie auf die Erde richtete.
    Mark hob Minas Röcke nur um einige Zentimeter. Blut befleckte den Strumpf darunter.
    Sie flüsterte benommen: »Ich bin es ziemlich müde, interessante Tage zu haben.«
    Fünf Minuten später trug er sie zur Einfahrt, wo die Kutsche der Traffords wartete.
    »Wie meinen Sie das, jemand hat Miss Limpett heute Morgen auf der Straße überfallen?« Er hatte große Mühe, die volle Stärke seines Zorns aus seiner Stimme herauszuhalten.
    »Ich bin nicht verletzt worden«, beharrte Mina, die die Arme um seinen Hals geschlungen hatte. »Und ich bin auch jetzt nicht verletzt. Es ist nur ein Kratzer von einem Körnchen Vogelschrot.«
    Wenn sie nicht verletzt war, warum war sie dann so bleich? Warum zitterte sie in seinen Armen?
    Als sie sich der offenen Kutschentür näherten, entwand sie sich seinem Griff, und ihre Wangen röteten sich. »Vielen Dank, Lord Alexander.«
    Er war sich nicht sicher, was ihre Augen ihm sagen wollten, aber unter den eindringlichen Blicken ihrer Familie kletterte sie schnell in die Kutsche. Er wollte sie nicht gehen lassen.
    Lucinda, die das Gesicht gesenkt und unter der Krempe ihres Huts verborgen hielt, stieg hinter ihr ein, gefolgt von Evangeline und Astrid.
    »Oh, mein liebstes Mädchen. Es tut mir ja so leid!«, rief Lucinda und nahm Mina in die Arme.
    »Es ist nicht Ihre Schuld«, versicherte Mina ihr leise.
    Auf dem Badmintonfeld hatte Lucinda unter Tränen erklärt, dass sowohl sie als auch Mina die Opfer einer Fehlzündung seien. Sie hatte von jedem, der zuhören wollte, verlangt, dass die Flinte auf einen Defekt untersucht würde.
    »Astrid, heb die Beine deiner Cousine auf das Kissen.«
    Mina protestierte: »Das ist nicht notwendig.«
    Trafford sah Mark an, tippte sich an den Hut und schüttelte den Kopf. Er murmelte schroff: »Verdammt noch mal zu viel Aufregung für einen einzigen Tag.«
    Er stieg ebenfalls ein.
    Lucinda verkündete mit blitzenden Augen und gedämpfter Stimme: »Es tut mir leid, Lord Alexander. Wir haben einfach keinen Platz mehr für Sie in der Kutsche.«
    Der Lakai schloss die Tür und ging um die Kutsche herum, um hinten aufzusteigen. Der Kutscher trieb mit seiner Peitsche die Pferde an, und das Gefährt rollte los.
    Mark schlenderte langsam zum Clubhaus zurück. Selene war nirgends mehr zu sehen. Also machte er sich auf den Rückweg zu seinem Schiff und fragte sich, was eigentlich gerade passiert war. Er konnte nicht glauben, dass Lucinda absichtlich auf Mina schießen würde, aber irgendetwas stimmte da nicht. Als sie mit dieser Kutsche losgefahren waren, hatte ihn irgendetwas beunruhigt.
    Als er endlich die Albert Bridge wieder im Blick hatte, sah er, dass sich darauf und an der Uferpromenade vor der Brücke eine dichte Menschenmenge versammelt hatte. Eine mächtige Welle von Gefühlen – morbide Neugier und Entsetzen – ging von der Menge aus. Er musste diese Gefühle schon eine Weile gespürt haben, ohne sich dessen bewusst gewesen zu sein, weil seine Angst um Mina ihn zu sehr beschäftigt hatte.
    Auf der Uferpromenade wimmelte es von Polizeibeamten in blauen Uniformen und den Bobbys mit ihren hohen Helmen. Zeitungsreporter hockten hinter Kameras auf hohen Stativen. Ein Boot der Wasserschutzpolizei fuhr dicht am Ufer entlang, und weitere Beamte wateten durchs Wasser; sie trugen Hüfthosen aus Gummi. Mit Stöcken stocherten sie im Wasser herum und fischten mit Netzen Müll heraus. Mark schaute über den Fluss und nahm das gleiche Maß an Aktivität am gegenüberliegenden Ufer wahr.
    Leeson tauchte aus der Menge auf und kam auf ihn zugeeilt. »Euer Gnaden!«
    »Was geht hier vor?«, fragte Mark.
    »Schreckliche Dinge.« Der Unsterbliche senkte die Stimme. »Soweit ich in Erfahrung bringen konnte, hat heute Vormittag ein junger Mann drüben am Ufer von Battersea unter der Brücke eine furchtbare Entdeckung gemacht.«
    Mark schloss die Augen. »Sagen Sie es schon.«
    Leeson nickte. »Ich habe es nicht selbst gesehen, aber ich habe sehr genau zugehört, und mehrere der Beamten sprachen von einem Oberschenkel .«
    Mark blinzelte ungläubig. Er schaute in den Himmel hinauf, um sich davon zu überzeugen, dass die Sonne nicht auf die Erde

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