So still die Nacht
nicht.«
Lucinda berührte ihre Wange. »Lassen Sie nicht zu, dass Astrid Ihnen an Ihrem besonderen Tag verheulte Augen beschert.« Wieder suchte sie Minas Blick im Spiegel. »Erlauben Sie mir, dass ich das an ihrer Stelle tue.«
Mina sah sie verblüfft an. »Was wollen Sie damit sagen?«
Lucindas Augen wurden glitzernd und grausam. »Ich denke, Sie kennen die Wahrheit, Mina. Sie sind eine scharfsichtige junge Frau.«
Mina antwortete nicht.
Lucinda zupfte an Minas Haaren. »Ihr gut aussehender zukünftiger Ehemann … nun, wir hatten eine ziemlich leidenschaftliche Affäre. Aber ich habe stattdessen Trafford geheiratet. Mark benutzt Sie, Mina. Er benutzt Sie, um mich für meine Entscheidung zu bestrafen. Ich will, dass Sie sich heute daran erinnern, wenn Sie neben ihm stehen und Ihr Gelübde ablegen.«
Lucinda zog sich zurück. Sie faltete das Seidenpapier zusammen und nahm die Schachtel von der Decke.
Mina dachte an Mark und ihre kurze Zeit zusammen im Arbeitszimmer nach seinem Antrag. Sie erinnerte sich an seine zutiefst leidenschaftlichen Küsse und seine ernsten Worte.
Lucinda hielt an der Tür inne, ihr Gesicht eine Maske kalter Befriedigung. »Ich werde Sie kurz allein lassen, damit Sie sich sammeln können.«
»Nein, ich bin bereit«, erwiderte Mina gelassen. Sie stand auf und drückte die Schultern durch. Dann rauschte sie hocherhobenen Hauptes an Lucinda vorbei. »Bereit und gesammelt.«
Mark stieg die Stufen zum Haus der Traffords hinauf. Hinter ihm stieg Leeson aus der gemieteten Stadtkutsche und folgte in etwas langsamerem Tempo. Ein Diener hielt ihnen die Tür auf.
Mina stand oben an der Treppe. Marks Brust schnürte sich zusammen und tat beim Anblick ihrer leuchtenden Schönheit ein wenig weh. Sie lächelte und schien ganz genauso glücklich zu sein, ihn zu sehen, dann flog sie die Treppe hinunter, auf ihn zu.
Wenn man die Zweckmäßigkeit ihres Ehegelübdes bedachte, hätte er nicht erwartet, dass sie tatsächlich ein Hochzeitskleid tragen würde. Ob das Kleid geborgt oder gekauft worden war, der dicke Satin legte sich um ihre Brüste, ihre schmale Taille und ihre geschwungenen Hüften, als sei es speziell für sie entworfen worden. Erst als er ihre Hand ergriff, nahm er Lucinda wahr, die Mina mit hölzernem Gesicht und bleich folgte, einen Strauß weißer Rosen im Arm.
»Du hast bereits Blumen«, sagte er. »Ich war mir nicht sicher, daher habe ich ebenfalls einen Strauß mitgebracht.«
Er deutete auf Leeson, der einen riesigen Strauß weißer Orchideen und Maiglöckchen in der Hand hielt, eingebunden in Spitze.
Sie grinste. »Mir gefällt deiner besser.«
Er war auch bei seiner Bank vorbeigegangen, um den Ring seiner Mutter aus seinem Schließfach zu holen. Gegenwärtig lag die Schachtel mit dem Ring schwer in seiner Jackentasche. Er hoffte so sehr, dass der goldene Ring, der zu einer offenen Lotusblume mit einem großen Türkis in der Mitte geformt war, an Minas schlanken Finger passen würde.
Leeson präsentierte Mina die Blumen mit einer schwungvollen Geste und bot ihr den Unterarm.
Mark sagte: »Das ist Mr Leeson. Er wird mein Trauzeuge sein.«
»Danke, dass Sie gekommen sind, Mr Leeson«, erwiderte sie.
Als Mark sie zum Salon begleitete, flüsterte sie: »Er kommt mir bekannt vor.«
Binnen einer Stunde hatten sie die Zeremonie hinter sich gebracht, und alle notwendigen Papiere waren unterzeichnet und bezeugt. Sie hatten außerdem ein kleines, aber elegantes Mittagessen genossen. Das hieß, er und Mina hatten die Mahlzeit genossen, während Lucinda, Astrid und Evangeline steif auf ihren Stühlen gesessen und in ihrem Essen gestochert hatten. Trafford war auffällig verlegen gewesen.
Mark öffnete seine unsterblichen Sinne und fing alle möglichen neidischen und gehässigen Gedanken auf, die meisten davon gegen Mina gerichtet – aber Mina ihrerseits war wunderbar ahnungslos. Und das Beste war, dass sie nicht aufhören konnte, auf ihren Ring zu schauen.
Die Missachtung der Damen für Mina entfachte ein scharfes Flackern aus Zorn in seiner Brust, aber heute interessierte ihn nur, dass Mina glücklich war – und dass sie so schnell wie möglich auf die Thais kamen, um vor Einbruch der Nacht die Themse hinunterzufahren. Wenn sie ohne irgendwelche unangenehmen Begebenheiten das Haus verlassen konnten, würde er ihren Hochzeitstag als Erfolg verbuchen.
Außerdem plagten ihn böse Vorahnungen, was die ihm bis zum nächsten Anfall verbleibende Zeit betraf. Es gab zu viele Dinge,
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