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So still die Nacht

So still die Nacht

Titel: So still die Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Lenox
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beobachten. Herauszufinden, was du über deinen Vater und die Schriftrollen weißt.«
    Mina presste sich eine Hand auf die Schläfe. »Sie ist diejenige, die mir die Rosen hingelegt und die Papiere meines Vaters zerrissen hat.«
    Seine Wangen spannten sich an. »Rosen? Zerrissene Papiere? Mina, wann ist das passiert?«
    Mina presste die Lippen aufeinander. Sie war nicht bereit, seine Fragen zu beantworten. Nein. Er sollte ihre Fragen beantworten.
    »Ist das, was mit ihr passiert ist … meine Schuld? Hätte man sie in Ruhe gelassen und … nicht rekrutiert, wenn ich nicht zu der Familie gekommen wäre? Habe ich ihre Verwandlung durch meine Anwesenheit hier herbeigeführt?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Mark. »Wie dem auch sei, du darfst dir nicht die Schuld an dem Bösen geben, das andere tun.«
    Mina schauderte und erinnerte sich an Lucindas grimmigen Hass. »Hast du sie gestern Nacht gefunden, nachdem du fortgegangen bist?«
    »Diese Kreaturen mit den rollenden Augen sind … sie sind im Inneren leer. Sie verströmen keine Gefühle oder Gedanken, was es schwierig macht, sie aufzuspüren.« Stirnrunzelnd schüttelte er den Kopf. »Ich habe sie draußen in der Stadt verloren.«
    Entsetzen erfasste Mina. »Was ist, wenn sie gerade jetzt unten ist und Tee trinkt und Marmelade auf ihren Toast löffelt und darauf wartet, dass wir herunterkommen?« Minas Magen krampfte sich zusammen. Sie presste sich eine Hand auf die Lippen. »Was sollen wir tun? Ich will nur weg aus diesem Haus.«
    Mark baute sich vor ihr auf. »Dann lass uns gehen. Ich schwöre es, Mina, ich bin weder für dich noch für deinen Vater der Feind. Sag mir, wo er ist. Ich flehe dich an, als dein Ehemann.«
    »Hör auf, das zu sagen.« Sie prallte zurück. »Du bist nicht mein Ehemann, und ich kann nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Mein Vater ist tot«, beharrte sie.
    Enttäuschung zeigte sich im Aufblitzen seiner Augen und in der Anspannung um seinen Mund. »In diesem Sarg waren nur Steine.«
    Ihre Augen weiteten sich. »Das warst du in der Krypta! Du hast an meinem Unterrock gezogen.«
    »Und ich würde es wieder tun.« Er umfasste ihren Unterarm. »Und er ist nicht tot.«
    Sie riss sich los. »Nun, für mich ist er tot.«
    »Warum?«
    »Er hat mir gesagt, ich solle nach London zurückkehren«, platzte sie heraus. »Und dass ich allen erzählen solle, er sei auf dem Berg gestorben. Ich habe widersprochen. Denn was für eine Gefahr auch immer drohte, wir hätten zusammenbleiben müssen. Aber er hat mich verlassen, Mark. Er hat mich auf diesem Berg in dem verdammten wabernden Nebel allein gelassen, und ich weiß nicht, wohin er gegangen ist.«
    Jemand schrie. Mina versteifte sich.
    Weitere Schreie … zwei Stimmen jetzt. Das schrille Geräusch sandte eine Gänsehaut über ihren Nacken und ihre Arme.
    Mark sagte: »Es kommt von draußen.«
    Sie eilte ans Fenster und zog den Vorhang beiseite, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Evangeline und Astrid aufs Haus zurannten. Beide schauten über ihre Schultern zum Gartenspringbrunnen.
    Der Springbrunnen.
    Minas Augen fixierten ihn. Rosafarbenes Wasser schwappte in dem unteren Bassin, und etwas hüpfte auf der Oberfläche.
    Der kopflose Leichnam einer Frau, bekleidet nur mit einem dünnen Leinenunterkleid.
    Sie spürte Mark an ihrer Seite, spürte seine Macht und seine Hitze.
    »Hölle«, murmelte er. »Das ist Lucinda.«

12
    Mark folgte Mina durch ein Spalier uniformierter Beamter, den Arm schützend ausgestreckt, damit sie nicht angerempelt wurde. Weiter unten im Flur war Traffords Arbeitszimmer so fest verschlossen wie eine Krypta.
    »Hier entlang, Mylady, wenn Sie so freundlich sein wollen.« Anderson, der stellvertretende Chef der Metropolitan Police, deutete mit der Hand zum gelben Salon. Nachdem sie eingetreten waren, folgte er ihnen hinein und zog die Türen zu. Über Nacht schienen die sonnengelben Wände und Vorhänge und die gepolsterten Möbel einen gräulichen Schimmer angenommen zu haben.
    Anderson streckte eine Hand aus und deutete auf ein Arrangement von Stühlen in der Nähe der Fenster. Draußen auf der Straße sah Mark eine ganze Reihe Polizeikutschen, und auf dem Gehsteig wimmelte es bereits von hüpfenden schwarzen Zylindern und Melonen der Neugierigen. »Lord und Lady Alexander, danke für Ihre Geduld. Wir mussten natürlich zuerst mit Lady Astrid und Lady Evangeline sprechen, die die Leiche entdeckt haben, ebenso wie mit dem bedauernswerten Lord Trafford.«
    Mark hob beschwichtigend die

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