So still die Toten
Nächstes die Königin schnitzen wollte, für die er Angie auserkoren hatte.
Nach Josiahs Tod waren so viele Fragen beantwortet worden. Luise hatte getobt, als sie vom Tod ihres Sohnes erfuhr, und gedroht, Angie und Eva umzubringen. Garrison und Malcolm hatten Telefonate mit der Gefängnisverwaltung geführt und Louise in einen anderen Bundesstaat überführen lassen. Außerdem hatten sie jeglichen weiteren Kontakt zwischen ihr und Angie oder Eva unterbunden.
Die Ereignisse hatten Angie zutiefst erschüttert, doch als sie wieder klar denken konnte, hatte sie begonnen, ihr Leben infrage zu stellen. Einst hatte sie Jura studiert, um Ungerechtigkeit zu verhindern, und doch hatte ihre Arbeit so viel Schmerz und Leid verursacht.
Vor zehn Wochen hatten Eva und Garrison in aller Stille geheiratet. Garrisons Familie sowie Angie und Malcolm waren dabei gewesen.
Malcolm hatte Angie bei all dem zur Seite gestanden. Sie hatten ruhige Abende miteinander verbracht, miteinander geschlafen und versucht, dort weiterzumachen, wo sie aufgehört hatten. Trotzdem war Angie die Furcht nicht losgeworden, dass Malcolm sie eines Tages verlassen würde.
Vor neun Wochen hatte Vivian Kontakt zu Angie aufgenommen und ihren Rat gesucht. Die alte Frau wusste, dass sie David wegen ihrer gesundheitlichen Probleme nicht großziehen konnte, und hatte sich wegen eines Adoptionsverfahrens erkundigt. Ohne zu zögern, hatte Angie gesagt: »Ich nehme ihn.«
Angies Angebot hatte Vivian erschreckt. Doch nach einigen Gesprächen über die Zukunft des Jungen hatte Vivian eingesehen, dass sie weiter an seinem Leben teilhaben konnte, wenn Angie den Jungen adoptierte.
Unter Tränen hatte Vivian geflüstert: »Ich will seine Großmutter sein. Nicht seine Mutter.«
Und so hatte Angie die Dienste eines Adoptionsanwalts in Anspruch genommen, um einen Vertrag aufzusetzen. Vor zwei Monaten hatten sie den Vertrag unterschrieben. Angie hatte David zwar von dem Moment an geliebt, in dem sie ihn zum ersten Mal im Arm gehalten hatte, doch seit gestern, seit der Richter die letzte Unterschrift geleistet hatte, war David dem Gesetz nach ihr Sohn.
Als sie die Verantwortung für David abgegeben hatte, hatte Vivian begonnen, um ihre Tochter zu trauern. Ganz langsam ging es mit ihrer Gesundheit bergauf.
Mehrere Male war Angie an Lulus Grab gewesen. Sie betete für die junge Frau, die so viele Fehler gemacht hatte und sich so sehr gewünscht hatte, ihr Leben zu ändern. Angie hatte sich geschworen, David oft von seiner leiblichen Mutter zu erzählen.
Malcolm hatte ihr geholfen, doch die Adoption hatte eine Kluft zwischen ihnen geschaffen, die mit jedem Tag größer zu werden schien. Angie hatte angenommen, dass er nicht willens und in der Lage war, David ein Vater zu sein. Sie hatte ihn in dem Wissen ziehen lassen, dass ihr Leben nun in erster Linie durch David bestimmt wurde. Seit einem Monat hatten sie einander nicht gesehen, und sosehr sie ihren Sohn auch liebte, sie vermisste Malcolm.
»Jetzt gehen wir zu Tante Eva und schauen, ob sie das Testergebnis schon hat.«
Durch das Fenster am Eingang warf Angie einen Blick ins King’s. Es schienen eine ganze Menge Gäste da zu sein. »Wir werden einiges an Gesellschaft haben, mein Kleiner.«
Bei Wellington & James hatte sie sich beurlauben lassen und sich während der letzten neun Wochen an das Leben als Mutter gewöhnt.
Ein kalter Wind fegte durch die Straße und schlug ihren Mantelsaum um. Sie klemmte sich die Wickeltasche unter den Arm, stieß die Autotür zu und eilte, mit einer Hand Davids Kopf schützend, in die Wärme des Pubs.
Drinnen war sie kaum zwei Schritte weit gekommen, als alle sich zu ihr umdrehten und riefen: »Überraschung!«
Angie erschrak. Auch David zuckte zusammen und blickte zu ihr hoch, um herauszufinden, ob er lachen oder weinen sollte. Als Angie lächelte, entspannte sich das Kind wieder.
Alle ihre Freunde waren versammelt. Charlotte, Iris, King, Bobby, Garrison, Eva und viele andere. Sie sah sich kurz nach Malcolm um, konnte ihn jedoch nicht entdecken.
Eva löste sich von der Gruppe und kam auf Angie zu. Mit dem leicht gerundeten Bauch und dem volleren Gesicht sah sie bezaubernd aus. »Wir wollten für die neue Mom eine Party schmeißen.«
Angie sah das Schild, auf dem HERZLICH WILLKOMMEN, DAVID stand. »Eva, wie lieb von dir. Du hast so viel um die Ohren, das hättest du doch nicht tun müssen.«
»Ich wollte es aber.« Eva drückte Angies Arm und flüsterte ihr zu: »Der Test war
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