So still die Toten
einen Bildschirm setzte, damit Eva mit ihr sprechen konnte. Er wäre auch zum Gefängnis gefahren, fürchtete jedoch, dass Angie nicht die vier Stunden Zeit hatte, die die Fahrt hin und zurück dauern würde.
Louise hatte sich einverstanden erklärt. Unter einer Bedingung: Eva musste ihr die Fragen stellen.
Garrison hatte geflucht, aber nachdem er sich wieder beruhigt hatte, hatte er alles Nötige veranlasst. Als er Eva über die Lage informiert hatte, war sie lediglich verärgert gewesen, dass er so lange damit gewartet hatte, sie ins Spiel zu bringen.
Jetzt saß sie vor dem Monitor im Konferenzraum des Polizeipräsidiums. Es war ein schlichter Raum, der in matten Beigetönen gehalten war. Die Deckenverkleidung sowie Tisch und Stühle datierten noch aus den Achtzigern.
Mit zitternden Händen fuhr sie sich über die Oberschenkel. Garrison stand rechts neben ihr, die Arme vor der Brust verschränkt, doch seine Haltung signalisierte Kampfbereitschaft. »Wann kommt sie?«
»Es müsste jeden Moment so weit sein«, erwiderte Malcolm. »Egal, was sie sagt, um Sie aus dem Konzept zu bringen, gehen Sie nicht darauf ein. Wir brauchen Informationen über Micah und den Ort, an den er Angie gebracht hat. In seinem Haus ist er nicht, und die Familie hat eine ganze Reihe von Anwesen. Wir müssen die Suche rasch eingrenzen.«
Eva nickte, dann blickte sie zu Garrison auf und lächelte. »Ist schon okay. Ich würde jede Rolle spielen, um dieses Miststück zufriedenzustellen und meine Schwester zu retten.«
Garrison lächelte. »Tapferes Mädchen.«
Der Monitor sprang an, und auf dem Bildschirm erschien der Gefängnisdirektor. Er war ein großer, dürrer Mann mit ausgeprägtem Kinn, dessen Augen durch die Vergrößerung seiner dicken Brillengläser eulenhaft wirkten. »Detective Kier, sind Sie so weit?«
Malcolm beugte sich über Evas Schulter. »Wir sind bereit.«
Sie sahen, wie der Direktor aus dem Bild verschwand und die Tür im Hintergrund aufging. Louise Cross, die einen orangefarbenen Overall und Handschellen trug, kam auf den Bildschirm zu. Sie nahm Platz und starrte direkt in die Kamera. Ihre Augen, aus denen der Wahnsinn sprach, glänzten vor Aufregung.
Malcolm zog sich zurück, und Eva beugte sich ein wenig vor.
Louise konnte Evas Hände nicht sehen, die so krampfhaft ineinander verschlungen waren, dass die Knöchel weiß hervortraten.
»Hallo, Louise«, sagte Eva. Ihre Stimme klang nicht so kräftig wie sonst, aber vollkommen ruhig.
Louises Augen verengten sich, sie lächelte. »Eva. Es ist schön, dich zu sehen. Du siehst gut aus.«
»Danke.«
»Du hast zugenommen. Das steht dir gut.« Sie wirkte beinahe vergnügt. »Denkst du viel an mich?«
»Ja.«
»Ich hoffe, die Brandwunde heilt gut.«
»Ich werde für immer eine Narbe behalten.«
Louise schien erfreut und sagte: »Das tut mir leid. Ich wollte dir nicht wehtun.«
Eva schluckte. »Ich weiß.«
»Tatsächlich?« Louise beugte sich zur Bildschirmkamera vor. »Den Eindruck hatte ich nicht. Du hast meine Briefe nicht beantwortet.«
Eva zögerte, als würde sie nach den richtigen Worten suchen. Was sagte man zu einer Frau, die einen gefoltert hatte und um ein Haar umgebracht hätte? »Louise, du weißt, dass ich hier bin, um über Micah zu sprechen.«
Louises Augenbrauen zogen sich zusammen. »Warum willst du über Micah sprechen?«
»Wir glauben, dass er Angie gefangen hält.«
Louise lehnte sich zurück, ihr Gesichtsausdruck wurde hart. »Wieso sollte er das tun?«
»Er wird verdächtigt, zwei Frauen umgebracht zu haben.«
Louise fluchte leise. »Ich habe ihm gesagt, er soll keine unnötigen Risiken eingehen. Dummkopf.«
Evas Anspannung stieg, sie wusste, dass sie einen Nerv getroffen hatte. »Er ist sehr viele Risiken eingegangen. Die Polizei ist hinter ihm her.«
Louise nickte. »Er ist mein letztes Kind. Ich wollte, dass er vorsichtig ist. Deshalb habe ich ihm gesagt, er soll seine Geheimnisse hüten.«
Malcolms Miene verdüsterte sich.
Geheimnisse
? Wovon redete Louise da? Am liebsten hätte er ihr die Frage entgegengebrüllt, doch er blieb ruhig.
Eva bewahrte Haltung. »Wir müssen ihn finden, Louise. Wenn Kier und Garrison ihn finden, werden sie ihr Möglichstes tun, um sein Leben zu retten. Andere Polizisten verstehen ihn vielleicht nicht so gut. Sie könnten ihm wehtun.«
»Er ist mein einziges Kind.«
»Und ich will nicht, dass du ihn verlierst.«
Der alten Frau standen Tränen in den Augen. Malcolm wusste nicht, ob sie echt
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