So unwiderstehlich reizvoll
kraulte ihn jedoch nur kurz, ging zum Tisch und packte die Tüte aus.
In diesem Moment betrat Josie ihr Reich. Sie stellte das Tablett mit einer leeren Kanne und zwei Tassen neben die Spüle und begutachtete die Einkäufe.
„Filetsteak!“ Sie war begeistert. „Du verwöhnst uns, Raphael.“
„Wer sonst, wenn nicht ich? Wie geht es der alten Dame heute? Ich wollte schon gestern Abend kommen, aber mir ist etwas dazwischengekommen.“
„Das Etwas hieß bestimmt Olivia“, neckte Josie ihn, während sie Fleisch, Käse und Gemüse in den uralten, laut brummenden Kühlschrank räumte.
„Du solltest nicht so viel auf das Gerede im Dorf geben.“ Raphael verstaute das Brot im Kasten. „Wo ist Lady Elinor? Ich möchte gleich zu ihr.“
„Soll ich noch einmal frischen Kaffee aufsetzen?“
„Nein, nicht nötig.“ Er zog eine Dose Ingwerlimonade aus der Tüte. „Ein Glas brauche ich nicht“, winkte er ab, als Josie zum Küchenschrank gehen wollte. „Sitzt sie im Wintergarten?“
„Wie immer.“ Nickend strich Josie eine Strähne ihres silbergrauen Haars aus dem Gesicht. „Sie hat dein Auto bestimmt gehört. Trotz ihres Alters hat sie immer noch Ohren wie ein Luchs.“
Mit Hitchins auf den Fersen verließ Raphael die Küche. Durch das Frühstückszimmer betrat er den Wintergarten an der Schmalseite des Hauses. Von hier hatte man einen ungehinderten Blick auf den Mündungsbereich eines gewundenen Flusses, auf dem sich die verschiedensten Wasservögel tummelten und an dessen Ufer knorrige Trauerweiden standen.
Lady Elinor saß in einem Rattansessel, die aufgeschlagene Zeitung mit dem fast vollständig ausgefüllten Kreuzworträtsel vor sich auf dem Tisch. Sie brüstete sich damit, das tägliche Rätsel spätestens um elf Uhr gelöst zu haben. Heimlich sah Raphael auf die Uhr. Ihr blieben noch genau fünfzehn Minuten.
„Wenn du keine Zeit hast, lass dich bitte nicht aufhalten“, bemerkte sie spitz. Auch die Augen seiner Großmutter funktionierten noch tadellos.
Er küsste sie auf die runzelige Wange. „Ich lasse mich niemals aufhalten. Aber du wirst dich beeilen müssen, wenn du deinen Vorsätzen treu bleiben möchtest.“
„Josie, die alte Schwatztante, hat mich aufgehalten. Sie glaubt, wenn sie mir meinen Kaffee bringt, müsse sie mich auch unterhalten. Ich habe ihr schon tausend Mal gesagt, für wie überflüssig ich das halte.“
„Ohne Josies Klatsch würde dir der Kaffee gar nicht schmecken“, konterte Raphael. Er nahm Hitchins auf den Arm und stellte sich näher ans Fenster, um die Aussicht zu genießen. „Worüber habt ihr denn heute geklatscht? Oder ist das ein Geheimnis?“
„Seit wann respektierst du Geheimnisse?“, spottete Lady Elinor. „Im Übrigen haben wir über Cary geredet. Er kommt Donnerstag, um mir seine Verlobte vorzustellen. Ich nehme an, sie bleiben übers Wochenende.“
„Seine Verlobte? Dann darf ich dir ja gratulieren, es muss eine große Erleichterung für dich sein, wenn er endlich ernste Absichten hegt.“
„Falls die Geschichte stimmt“, brummte Lady Elinor skeptisch und spielte mit dem Griff ihres eleganten Gehstocks. Wenn Cary seiner Großmutter etwas vormachen will, wird er das nicht schaffen, dachte Raphael.
„Ich kenne das Mädchen. Ihre Eltern waren Nachbarn von Charles und Isabel. Sie heißt Juliet Lawrence, so jedenfalls lautet ihr Mädchenname. Inzwischen war sie verheiratet und ist wieder geschieden, weiß der Himmel, wie sie sich jetzt nennt. Sie ist einige Jahre jünger als Cary. Ihr Vater war Fabrikant. Juliet hat ihre Mutter bereits als Baby verloren, ihr Vater ist vor ungefähr fünf oder sechs Jahren gestorben.“
„Du bist ja bestens informiert.“
„Das muss ich auch sein, Raphael. Ich möchte nicht, dass Cary ein hergelaufenes Frauenzimmer heiratet. Diese Juliet kommt wenigstens aus bestem Hause.“
„Meinst du nicht, es wird dir im Moment zu viel, Gastgeberin für ein jung verliebtes Paar zu spielen?“
Indigniert zog Lady Elinor die Brauen hoch. „Ich hatte zwar eine schwere Bronchitis, aber nichts Ernstes. Es ist jedes Jahr dasselbe, im Frühling bekomme ich einen Infekt.“
„Wenn du meinst und dich kräftig genug fühlst, ist ja alles in Ordnung.“ Raphael war klug genug, der alten Dame nicht zu widersprechen. „Dann werde ich Josie fragen, ob sie für die Vorbereitungen meine Hilfe benötigt. Wenn die beiden in der Lavendelsuite schlafen sollen, werde ich schnell noch die Abflüsse im Badezimmer
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