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So zärtlich war das Ruhrgebiet

So zärtlich war das Ruhrgebiet

Titel: So zärtlich war das Ruhrgebiet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laabs Kowalski
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auf die ich kam, hieß Petri-Schule,
aber am ersten Tag gab es gar keinen Unterricht, sondern nur ein
Kasperle-Stück, und schreiben durften wir auch nicht. So ein Betrug! Als ich
meinen neuen Schulranzen öffnete, flog Helmut, unser neuer Wellensittich,
heraus, und die Lehrerin sagte, dass man Vögel nicht in die Schule mitbringen
dürfe. Sie sah ein bisschen aus wie Ullis Oma.
             Tanzmäuse mitzubringen war ebenfalls verboten,
wie ich am nächsten Tag erfuhr. Wir lernten Kringel und Bogen malen, und die
Lehrerin erklärte, dass einem die Eltern Milch- oder Kakaogeld mitgeben könnten.
Dann bekäme man vor der ersten Pause jeden Tag Milch oder Kakao.
     
    Das schönste Auto in der Elisabethstraße war Papas Opel
Rekord. Es war rot und hatte dort, wo ich mit dem Dreirad reingeknallt war,
eine kleine Delle und Kratzer. Dann stand plötzlich ein Ford Capri am unteren
Ende der Straße, und der war sogar noch ein bisschen schöner. Noch besser war
nur der Ford Mustang aus meinem Autoquartett.
     
    In den großen Ferien fuhr Mama mit meinem Bruder und mir
zu ihrer Schwester mit dem Zug nach Schwäbisch Gmünd, und von dort aus ging es mit
dem Postbus nach Untergröningen weiter. Papa brachte uns zum Bahnhof.
    Mamas Schwester hieß Tante Doris
und wohnte mit ihren Kindern Regine, Margret, Sabine, Achim und Thomas in einem
Schloss. Auch andere Familien mit vielen Kindern wohnten darin. Es gab einen
richtigen Schlosshof, und die Zimmer und der Korridor von Tante Doris’ Wohnung
waren riesig. Ein richtiges Bad gab es nicht, nur ein Plumpsklo. Wenn man die
Spülung zog, öffnete sich eine Klappe und das Kacka fiel außerhalb der
Schlossmauer in einen Fluss, der Kocher hieß.
    Der Mann von Tante Doris war ganz dunkel und hieß Adam.
Weil er nie etwas sagte, war er mir nicht ganz geheuer. Beim Frühstück
schüttete er sich Schnaps in den Kaffee.
    Von meinen drei Cousinen war
Sabine die schönste. Wir beschlossen, dass wir später einmal heiraten würden.
Aber dann fiel mir ein, dass das ja gar nicht erlaubt war, weil wir nicht
dasselbe Alter hatten. Sabine war erst fünf und ich schon sechs.
             Ich versteckte mich in der Waschküche in einem
großen Steintrog und heulte. Gesetze waren doof!
    Als Tante Doris mich dort fand,
sagte sie, alle hätten sich große Sorgen gemacht und schon geglaubt, ich sei in
den Kocher gefallen. Tante Doris erklärte mir, dass man nicht gleich alt sein
müsse, wenn man heiraten wolle. Meine Mama sei zum Beispiel ein Jahr älter als
mein Papa. Das war eine gute Nachricht, und ich stand auf, um sie meiner
zukünftigen Frau zu überbringen.
             Abends im Fernsehen kamen nicht die
Mainzelmännchen, sondern Äffle und Pferdle. So ein Betrug!
             Unten im Dorf gab es einen Kaufmannsladen, und Mama
kaufte mir Airfix -Soldaten. Den steilen Schlossberg wieder raufzulaufen,
war gar nicht so leicht.
             Onkel Adam briet Schweinehirn in einer Pfanne,
außerdem Blut. Mama sagte, ihr würde schon vom Zusehen schlecht.
              
    In den nächsten Tagen kaufte sie mir noch mehr Airfix -Figuren.
Ich hatte jetzt Germanen, Römer, Wüstenlegionäre und Araber. Die Germanen waren
braun, die Römer grau, die Wüstenlegionäre dunkelblau und die Araber gelb. Bei
den Arabern waren sogar Kamele mit Reitern dabei.
    Im Schlosskeller entdeckten
Sabine, Margret und ich alte Kleider. Die hatten einmal den früheren
Schlossbewohnern gehört. Sie waren feucht und rochen ganz komisch. Trotzdem
zogen wir sie an und spielten Ritterburg. Am nächsten Tag hatten Sabine,
Margret und ich Ausschlag auf der Haut, und Mama und Tante Doris verboten uns,
die Stinkesachen noch mal anzuziehen, wir hätten uns sonst was wegholen können,
die Krätze zum Beispiel.
             Dann kam Papa und fuhr Mama, Martin und mich
nach Dortmund zurück.
     
    Auf dem Fußboden im Wohnzimmer spielte ich mit meiner
Plastikeisenbahn oder mit meinen Tierfiguren. Eine ganze Schublade hatte ich
voll. Außerdem Cowboy-, Indianer- und Ritterfiguren, die Mama mir bei Woolworth
kaufte. Manchmal, wenn ich mit ihr in der Innenstadt einkaufen war, gingen wir
zu Hertie in der Hansastraße, dort gab es in der obersten Etage ein Restaurant.
Die Kellnerinnen trugen schwarze Uniformen und weiße Schürzen und servierten
einem das Essen an den Tisch. Draußen im Eingang stand Omma Burbaum an der Softeismaschine.
Wenn wir ihr guten Tag sagen gingen, kriegte ich gratis ein Eis. Im

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