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wenn sie dieses Geräusch machte, das klang, als mache sich eine ganze Stierherde zum Angriff bereit. Meistens war es der Erinnerung an einen Mann vorbehalten und obwohl Katja mich nicht besonders gut leiden konnte, ließ sie es sich nicht nehmen, mich davon zu überzeugen, dass das Familienglück unserer Kolleginnen eines Tages mit der Wucht eines Tsunamis auseinandergerissen werden würde. Denn Männern – so glaubte sie – konnte man nicht trauen. Das versuchte sie dann am Beispiel ihrer diversen Ex-Freunde zu belegen, die ausnahmslos Anhänger von Satan persönlichgewesen sein mussten. Wenn ich daran dachte, mit Katja in einer Wohnung leben zu müssen, schien mir die Flucht zum Teufel allerdings auch das kleinere Übel zu sein, das ich ohne zu zögern in Kauf genommen hätte. Trotzdem konnte ich die innere Wut meiner Kollegin verstehen – das Thema Männer ließ mich auch nicht gerade auf rosafarbenen Plüschwolken schweben.
»Natürlich höre ich dir zu«, antwortete ich genervt. »Aber ich muss diese Monatsaufstellung hier dringend fertig machen.«
»Na dann«, grummelte Katja und brachte mich damit zum Schmunzeln. Hatte ich sie etwa gerade daran erinnert, dass sie ja eigentlich zum
Arbeiten
hier war?
Tatsächlich war es wohl so, dass ich die Einzige war, die hier überhaupt etwas leistete. Im gegenüberliegenden Büro wurde der PC hauptsächlich dazu genutzt, Wetterberichte weltweit zu vergleichen. Im dreißig-Minuten-Rhythmus tummelten sich so gut wie alle Kolleginnen und Kollegen auf wetter.com , um die Witterungsveränderungen im Zusammenhang mit den geplanten Feierabend- oder Wochenendaktivitäten zu besprechen. Wie verzweifelt mussten diese Menschen sein? Sie konnten sich nicht zum Arbeiten aufraffen, hatten sich allerdings auch nichts außer Wetterveränderungen zu erzählen.
Raum für Diskussionen gab es dennoch – wobei das Wort ‚Streit‘ es vermutlich besser traf. Meine Kollegen, elf Stück an der Zahl, hatten es zu einer Art Sport gemacht, sich gegenseitig in ihrer Faulheit zu überbieten. Gleichzeitig straften sie die Fehler und Nachlässigkeiten der anderen mit Missachtung. Ständig debattierten sie über fast verpasste Abgabetermine bei unserer Zentralstelle in München und die jeweilige Schuldzuweisung. Und das taten sie mit so viel Elan, als würde die beste Argumentation prämiert.
Die schlechte Stimmung, die nach diversen Gerüchten über Intrigen innerhalb des Kollegiums seit Jahren ununterbrochen in der Luft hing, bescherte mir jeden Morgen aufs Neue Bauchschmerzen. Eigentlich hatte ich bereits vor Monaten geplant, dem langweiligen und tristen Büroalltag den Rücken zuzukehren – doch keine meiner Bewerbungen stieß auf Erfolg. Dazu kam, dass unser Chef vor sieben Monaten mit einer Art Beförderung um die Ecke gekommen war, die mich erst einmal friedlich gestimmt hatte.
Immerhin konnte ich mir ab und an etwas Ablenkung gönnen – so wie jetzt, als mein Messenger in der Taskleiste des uralten Röhrenbildschirms aufblinkte.
LordLoom (09:22) : Bei mir sind es nur noch 98 Stunden bis zum Wochenende,ätsch!
Thomas
. Seine Arbeitszeiten wollte ich gerne haben – und das als Abteilungsleiter! Ich warf einen flüchtigen Kontrollblick zu Katja hinüber, die sich in eine Akte vertieft hatte. Es war eher unwahrscheinlich, dass die Anspannung in ihrem Gesicht von irgendetwas arbeitstechnischem herrührte. Vielleicht ärgerte sie sich immer noch über mich, oder über ein verpasstes Sonderangebot bei Tchibo. Oder sie verfasste in Gedanken eine Das-wirst-Du-bitter-bereuen-Mail an einen ihrer satanistischen Exfreunde …
Sternenstaub82 (09:23) : Guten Morgen, Faulenzer!
LordLoom (09:24) : Von wegen! Ich bummele endlich mal ein paar von meinen hundert Überstunden ab. Das würde dir auch gut tun! Aber sag mal, ich habe dich gestern Abend vermisst! Hattest du Männerbesuch?
Sternenstaub82 (09:25) : Sehr witzig. Ich habe zur Abwechslung mal wiederetwas genäht. Vielleicht bekomme ich ja endlich das Kleid fertig, an dem ich schon seit Wochen arbeite …
LordLoom (09:26) : Also kündigst du nun doch, um deine eigene Boutique zu eröffnen?
Ich seufzte leise und konnte ein dankbares Schmunzeln nicht unterdrücken. Thomas war seit sechs Jahren mein bester Freund und er hatte das Talent, mir in nahezu jeder Situation ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Für andere Menschen war er dagegen ein Nerd, der in einer verrückten Cyber-Welt lebte. Als ausgebildeter Programmierer und studierter
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