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Social Netlove

Social Netlove

Titel: Social Netlove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Strack
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Informatiker hing Thomas den ganzen Tag vor dem Computer, da er in der Online-Qualitätssicherung eines großen deutschen Sicherheitsdienstleisters arbeitete. Und auch privat war er nur schwer von seinem geliebten Rechner wegzubekommen, weshalb wir uns überwiegend im Chat unterhielten, anstatt einfach mal zum Telefon zu greifen und den anderen anzurufen. Zwar versuchte ich das hin und wieder in einem Anflug nostalgischen Übermutes, doch Thomas war meistens
temporarily not available
. Diesen Zustand hätte er im Internet niemals geduldet; über irgendeine Plattform oder einen Messenger erreichte man ihn immer, egal ob er mit dem Auto unterwegs war, an einer Firmenbesprechung teilnahm oder zu Hauseauf dem Klo saß.
    LordLoom (09:29) : Druckst du schon Einladungen für die Eröffnung? Vergiss mich bloß nicht! Ich mache auf jeden Fall deine Website!
    Sternenstaub82 (09:31) : Zur Boutiqueeröffnung braucht es aber noch etwas – und zwar etwa hundert Jahresgehälter und einen großen Brocken Erfahrung. Blöd nur, dass ich dann vermutlich schon tot bin. Und dann habe ich nicht mal etwas gehabt, für das es sich zu leben gelohnt hätte.
    LordLoom (09:33) : Sieh nicht so schwarz, Liebes.
    Ich warf einen Blick auf das Foto, das neben unserem Dialogfenster am Rande des Messengers aufleuchtete. Olivgrüne Augen starrten mich von einem South Park Avatar an, der Thomas erschreckend ähnlich sah. In der linken Hand trug die blasse Comicfigur eine Bombe, in der anderen ein Playboy-Heft. Die schwarzbraunen Haare hingen ihm – wie bei seinem menschlichen Vorbild – strähnig in die Stirn und es war Thomas sogar gelungen, den Avatar ebenso groß und schmächtig aussehen zu lassen wie sich selbst. Bei diesem
sympathischen
Profilbild war es kein Wunder, dass seine Chatbekanntschaften stets kettenrauchende Schulabbrecherinnen waren, die Thomas' Master-Abschluss für etwas Anstößiges hielten. Und das schien sie fragwürdigerweise sogar anzumachen.
    Thomas war ebenso wie ich Single, weshalb wir die Abende häufig in einer Art Zweckgemeinschaft verbrachten: Wir kochten, Thomas ging mir mit seinen virtuellen Schlachten auf die Nerven, die er auf Mittelerde und seltsam klingenden Fantasiekontinenten ausgetragen hatte und ich ertrug es würdevoll.
    Obwohl Thomas' schmaler Körper keine entstellenden Schönheitsfehler aufwies, war mein bester Freund optisch nicht gerade ein Hingucker. Viele
reale
Frauen übersahen ihn einfach, weil er aus dem breiten Feld des Mittelmaßes nicht hervorstechen konnte. Für einen
Nerd
war er meiner Meinung nach dennoch ziemlich attraktiv, vor allem, wenn ich ihn mit der übrigen Belegschaft seines Unternehmens verglich, die sich nahezu komplett in seiner Freundesliste bei Face-book wiederfand. Bei einem Mr.-IT-Sicherheits-Contest hätte Thomas auf jeden Fall gewonnen – und anschließend auch mit seinen charakterlichen Stärken überzeugt. Trotz diverser Marotten war Thomas für mich nämlich der Inbegriff eines perfekten Mannes: Er hörte zu, tröstete,ermunterte, erheiterte. Und das alles, ohne mir auf den Busen zu starren, Nähe auszunutzen, oder mir männertypische Vorträge à la ‚du solltest aber …‘ zu halten. In seiner Gegenwart fühlte ich mich immer sofort besser; vielleicht auch, weil er das lebende Beispiel dafür war, dass ein Mensch noch einsamer sein konnte als ich. Denn Thomas hatte sein Herz verloren und es bis heute nicht zurückgefordert, obwohl die Chancen, dass er mit unserer gemeinsamen Freundin Isabelle noch einmal zusammenkommen könnte, in etwa so groß waren wie meine Hochzeit mit einem Superstar.
    Es war ja nicht so, dass ich mich nach einem Mann an meiner Seite verzehrte. Nicht so wie viele meiner Freundinnen oder Bekannten, die in meinem Alter bereits Torschlusspanik bekamen. Mit achtundzwanzig?!
Nein
, mich beschlich eben nur ab und an der Gedanke, dass es schön wäre, wenn zu Hause jemand auf mich warten würde, dem ich von meinem Tag erzählen konnte. Jemand
menschliches
, nicht nur mein rotbrauner Kater Fox. Eine Person, die mich in den Arm nahm, während ich belangloses Zeug über die Kinder meiner Kollegen, deren Hautausschläge oder Zahnarztbesuche faselte; eben das, was mich den ganzen Arbeitstag über derart eingelullt hatte, dass ich es nun auch zu meinem Thema machte. Jemand, der mich küsste, nicht so kurz und freundschaftlich, wie Thomas es tat, wenn er mir die Tür öffnete, sondern
richtig
: So als gäbe es mich und meine Lippen nur für diesen einen Moment

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