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Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein

Titel: Söhne der Erde 01 - Unter dem Mondstein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne U. Wiemer
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und wimmerte. Es dauerte Minuten, bis er stammelnd herausbrachte, was er gesehen hatte - und da erst wurde dem Oberpriester bewußt, daß in dem jähen tödlichen Schweigen jeder die Worte verstehen konnte.
    Jenseits der Mauer hörten die Männer der Tiefland-Stämme den vielstimmigen Schreckensschrei.
    Sie hörten auch die wieder einsetzende Trommel, den gellenden Ton des Horns. Aber die Menschen dort oben beruhigten sich nicht, fielen nicht wieder in den Monotonen Rhythmus der Gebete, sondern schrien in panischer Furcht durcheinander - und die Männer der Stämme ahnten, was geschehen war.
    »Sie haben es geschafft«, flüsterte Kormak heiser. »Sie haben es geschafft, wirklich geschafft.«
    Jarlon nickte nur.
    Sein Blick wanderte zu der blauen Kugel hinauf, und seine Augen leuchteten.
    *
    Charru starrte sekundenlang auf sein blutbeflecktes Schwert, dann wandte er sich mit einem Ruck den anderen zu.
    »Weiter«, flüsterte er. »Ich glaube, wir werden so lange sicher sein, wie wir noch nicht den Tunnel durchquert haben. Versucht, nicht in Panik zu geraten! Es ist ein grauenhaftes Gefühl, aber es bedeutet keine Gefahr.«
    Gillon von Tareth zuckte nur die Achseln. Karstein schüttelte sein wirres blondes Haar, um zu zeigen, was er von der Annahme hielt, er könne in Panik geraten. »So grauenhaft kann es nicht sein, wenn dieser - Götze es auf sich genommen hat«, knurrte er.
    »Vielleicht empfindet er es anders. Oder vielleicht kam es mir nur grauenhaft vor, weil ich die Bedeutung nicht kannte. - Kommt jetzt!«
    Charru ging voran.
    Das Licht wurde heller, der Felsengang senkte sich und führte dann wieder aufwärts. Nach einer Endlosigkeit von Zeit konnte Charru den quadratischen Raum sehen, in den ihn bei seiner ersten Flucht der Weg von dem unterirdischen See her geführt hatte. Lag das wirklich erst wenige Stunden zurück? Entschlossen verließ er den Gang, sah sich um und ließ den Blick über die gläserne Wand gleiten. Dahinter begann der Tunnel.
    »Himmel!« flüsterte Camelo neben ihm tonlos.
    Charru warf ihm einen Blick zu. Auch die anderen standen fassungslos in dem quadratischen Raum, dessen Fremdartigkeit ihnen kaum auffiel, da die gespenstisch verzerrte Perspektive vor ihren Augen ihre Aufmerksamkeit fesselte. Der Tunnel erweiterte sich zu einer Höhe und Tiefe, die jedes Maß sprengten, die Schwindel erregten und die abstrakte Vorstellung von dem Unterschied zwischen Mondstein und Außenwelt zu greifbarer, erschreckender Realität machte. Selbst Charru konnte sich des Schauers nicht erwehren, und hinter sich hörte er Gerinth tief einatmen.
    »Es ist ungeheuerlich«, sagte er leise. »Werden wir hineinwachsen? Wird uns der Tunnel am Ende nicht höher erscheinen, als er am Anfang war?«
    »Ich glaube«, murmelte Charru. »Ich erinnere mich nicht genau. Nie hätte ich geglaubt, daß ich einmal halb blind vor Angst einfach irgendwohin stolpern würde.«
    »Nur ein Narr fürchtet nichts.« Gerinth lächelte flüchtig. »Und die Wand? Wie gelangen wir hindurch?«
    »Sie öffnet sich von selbst, wenn man darauf zugeht. Genauso ist es am Ende des Tunnels. Von dem Raum dort habe ich nicht, viel gesehen. Aber ich nehme an, daß zumindest jetzt jemand den schwarzen Gott dort erwarten wird.«
    »Und statt dessen werden die Krieger des Tieflands kommen«, sagte Karstein grimmig. »Die Kerle werden tot sein, bevor sie sich von der Überraschung erholt haben.«
    »Sie besitzen Waffen. Wir müssen vorsichtig sein. Versucht, sofort nach links und rechts auszuweichen und zu vermeiden, daß jemand mit diesen Metallrohren auf euch zielt. Fertig jetzt?«
    »Fertig«, sagte Gerinth leise.
    »Fertig«, wiederholten Gillon und Camelo.
    »Ich auch«, knurrte Karstein. »Aber ihr könnt machen, was ihr wollt, ich glaube immer noch nicht, daß ich ein Riese werde.«
    »Du wirst es sehen...«
    Charru lächelte leicht, dann spannte er sich, als er auf die durchsichtige Wand zutrat. Wie beim ersten Mal glitt sie lautlos auseinander. Charru überzeugte sich durch einen Blick, daß seine kleine Gruppe dicht beieinander war, und machte den ersten Schritt in den Tunnel.
    Da war es wieder.
    Das Gefühl zu wachsen, sich auszudehnen, keinen Platz mehr zu haben in der eigenen Haut...
    Charru biß die Zähne zusammen und ging rasch weiter. Das Grauen blieb aus, seine Beherrschung brach nicht, bewußt nahm er wahr, wie er im gleichen Maße größer wurde, in dem der Tunnel sich erweiterte. Zwei Dutzend Schritte, mehr nicht: Er hörte das

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