Söhne der Erde 05 - Flucht in die Sonnenstadt
es die falsche Entscheidung ist?« fragte er müde.
Camelo schüttelte langsam den Kopf.
»Ich weiß nicht, ob es die falsche oder die richtige Entscheidung ist«, sagte er. »Aber ich weiß, daß ich genauso gehandelt hätte wie du. Und daß es bitter ist...«
*
Die Kühle der klimatisierten Luft war das erste, was wieder in Charrus Bewußtsein drang.
Als zweites spürte er die Fesseln: breite Kunststoff-Riemen, die seine Arme dicht an den Körper und seinen Rücken gegen die Lehne eines Stuhls preßten. Er fühlte sich eigentümlich leer und leicht. Seine Gedanken schienen zu schweben, und es dauerte Sekunden, bis die Erinnerung scharf wie ein Messer die Nachwirkungen der Betäubung durchschnitt. Er öffnete die Augen.
Graue Wände, zwei weitere weiße Schalensessel, eine flache Liege, ein Fenster, das den Blick auf die rote Wüste und einen Teil der marsianischen Polizeijets freigab. Eine offene Tür führte in einen Nebenraum. Charru nahm an, daß er sich in irgendeiner Art von Fahrzeug befand, da die Marsianer wohl kaum inzwischen Gebäude in der Wüste errichtet hatten.
Er spannte die Muskeln, um die Festigkeit der Fesseln zu prüfen.
Sie waren fest. Im nächsten Moment gab er seine Bemühungen auf, da sich aus dem Nebenraum Schritte näherten.
Der Präsident der Vereinigten Planeten persönlich.
Helder Kerr war bei ihm, außerdem ein weißhaariger, scharfgesichtiger Greis, den Charru nicht kannte. Hinter ihnen glaubte er, ganz kurz die schlanke Gestalt von Lara Nord zu erkennen. Aber sie ließ sich genauso wenig sehen wie ihr Vater.
Sie hatte ihre Schuldigkeit getan.
Nicht freiwillig, davon war Charru überzeugt. Sie hätte ihn nicht in die Falle gelockt; sie war belogen worden. Und der ganze Plan war nicht in den Köpfen marsianischer Wissenschaftler entstanden. Charru warf Helder Kerr einen kurzen Blick zu, dann richtete er die Augen auf den Präsidenten.
Wenn Simon Jessardin Triumph empfand, verstand er das jedenfalls besser zu verbergen als seine Begleiter.
»Ich hätte gern unter anderen Umständen mit Ihnen verhandelt«, begann er.
»Gefangene verhandeln nicht«, unterbrach ihn Charru ruhig.
»Möglich. Ihre Gefangennahme erfolgte ohnehin mehr wegen der psychologischen Wirkung.« Jessardins Stimme klang kühl, und ein dünnes Lächeln spielte um seine Lippen.
»Die wissenschaftlichen Gutachten behaupten, daß die Tiefland-Barbaren jetzt vorwiegend an die Sicherheit ihres Fürsten denken werden. Für uns ist das immerhin beruhigend - vor allem in Bezug auf Ihre wüsten Drohungen, das Schiff hier abstürzen zu lassen und ähnliches.«
Charru hob, die Brauen.
»Eine Möglichkeit, die wiederum für uns beruhigend war«, sagte er kalt. »In Bezug auf Ihre wüsten Drohungen, die Laserkanonen auf uns abzufeuern.«
»Lassen wir das. Wir werden mit Ihren Freunden zweifellos erfolgreicher verhandeln als mit Ihnen. Nachdem Sie hier sind, besteht nämlich die Möglichkeit, sie auszuhungern, wie man so schön sagt. Und zwar ohne einen selbstmörderischen Vergeltungsschlag zu riskieren. Oder glauben Sie ernsthaft, daß man Sie opfern würde?«
Charru schwieg.
Unter normalen Umständen hätte Jessardin recht gehabt, Aber er wußte nicht, daß es noch eine dritte Möglichkeit gab: die Stadt in der Wüste, die Chance zur Flucht. Die Terraner würden bis auf wenige Ausnahmen in Sicherheit sein, bevor die Marsianer auch nur merkten, daß sie ein fast leeres Schiff belagerten. Wenn Gerinth es schaffte, seine Befehle durchzusetzen! Er mußte es schaffen...
»Glauben Sie nicht, daß es für alle Teile besser wäre, die Sache jetzt zu beenden?« fragte Simon Jessardin.
Charru sah an ihm vorbei.
»Zu welchen Bedingungen?« fragte er ausdruckslos.
»Ich sagte Ihnen schon, daß Sie keine Bedingungen...«
»Ich will wissen, was mit uns geschehen wird. Ich muß es wissen.«
»Sie werden am Leben bleiben. Alles andere wird sich finden. Ich kann keine Versprechungen machen...«
Das Gespräch dauerte fast eine halbe Stunde.
Aber Charru führte es nur, um Zeit zu gewinnen, um die Aufmerksamkeit der Marsianer zu fesseln und sie von der »Terra« abzulenken. Schließlich schüttelte Simon Jessardin den Kopf und preßte die Lippen zusammen.
»Es ist sinnlos«, sagte er. »Wir brauchen keine weiteren Worte mehr zu verlieren. Ich hoffe in Ihrem Interesse, daß Sie Ihre Haltung nicht bereuen werden.
XI.
Gillon von Tareth kauerte reglos zwischen den roten Felsen und starrte in die Ebene.
Im letzten Licht der
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