Söhne der Erde 05 - Flucht in die Sonnenstadt
zu engagiert in den Lauf der Dinge ein. Der Venusier hatte erst verspätet Alarm gegeben, als Charru von Mornag mit dem kleinen Grüppchen seiner Gefährten durch das Felsentor unter dem Mondstein floh. Der Venusier war, ob aus Neugier oder anderen Beweggründen, im Museumssaal geblieben, statt sich in Sicherheit zu bringen, und nur deshalb als Geisel in die Hände der Barbaren gefallen. Ohne ihn hätte nicht einer der Terraner lebend das Museum verlassen. Und daß Jessardin später verhandelt hatte, statt das Alte Kadnos, Denkmal und Mythos hin oder her, sofort durch Laserkanonen zerstören zu lassen, schrieb der Vollzugschef ebenfalls dem Einfluß des Generalgouverneurs zu.
Das auszusprechen, wäre Jom Kirrand allerdings nie in den Sinn gekommen.
»Möglich«, sagte er statt dessen. »Vielleicht können diese Willen tatsächlich den Antrieb zünden. Aber sie können das Schiff nicht in unsere Stellungen stürzen lassen, weil es die Einfachheit selber ist, es vorher zu zerstören.«
Jessardin fuhr sich mit der Hand über das kurzgeschorene Silberhaar.
»Die Einfachheit selber?« echote er. »Sind Sie sicher, Jom?«
»Aber...«
»Die 'Terra I' ist kein Überlicht-Schiff, wie Sie sicher wissen. Sie verfügt über einen Reaktor-Antrieb, also hat sie radioaktive Stoffe an Bord. Können Sie mir auf Anhieb mit Sicherheit sagen, daß die Ummantelung des Reaktors dem Beschuß mit Laserkanonen standhalten würde, Jom? Wollen Sie es riskieren, weite Teile des Mars radioaktiv zu verseuchen?«
Der Vollzugschef schluckte erschrocken.
Jähe Röte überzog sein Gesicht: es war ihm peinlich, daß er diesen Punkt nicht bedacht hatte. Hilfesuchend sah er zu dem weißhaarigen Generalstabs-Chef hinüber, einem Mann, dessen Aufgabe bis heute genauso theoretischer Natur gewesen war wie die eventuelle kosmische Bedrohung, der die gesamte Kriegs-Maschinerie des Mars galt. Aber auch Manes Kane konnte nur mit den Achseln zucken.
»Ich muß gestehen, daß ich mich mit dem Problem einer radioaktiven Gefährdung durch die 'Terra I' bis heute nicht beschäftigt habe«, sagte er in seiner etwas umständlichen Art. »Mein Vorschlag wäre, über diesen Punkt umgehend ein wissenschaftliches Gutachten einzuholen.«
»Richtig«, nickte Jessardin. »Würden Sie das veranlassen, Gordal?«
Er hatte einen der drei anwesenden Generäle angesprochen. Der Mann nickte und schaltete den Kommunikator ein, um die entsprechenden Anweisungen weiterzugeben. Der Präsident wandte sich an Conal Nord und vergaß einen Augenblick, daß persönliche Gefühle und private Beziehungen in dieser Situation keine Rolle spielten.
»Was ist mit Ihrer Tochter, Conal?«
Der Venusier zuckte die Achseln. Er bestätigte, was er vorher gewußt und was der Präsident nicht wirklich geglaubt hatte.
»Charru von Mornag hat versprochen, sie freizulassen.«
»Sofort?«
»Ja, sofort.«
»Und Helder Kerr?«
»Ihn nicht. Sie brauchen ihn, sagen sie.« Er lächelte, aber es war ein bitteres Lächeln. »Was erwarten Sie, Simon? Eine Orgie des Edelmuts? Von Menschen, die Sie selbst für primitive, blutrünstige Barbaren halten?«
Ihre Blicke kreuzten sich. Simon Jessardin spannte die Schultern.
»Ich habe nichts dergleichen gesagt. Wir müssen das wissenschaftliche Gutachten abwarten. Das Leben eines einzelnen ist kein Punkt, der unsere Entscheidungen beeinflussen darf, wie Sie sehr wohl wissen...«
*
In der Pilotenkanzel der »Terra I« herrschte rötliches Zwielicht ,von dem Staub, der die einfallenden Sonnenstrahlen filterte.
Camelo lehnte in einem der Sitze, das Gesicht weiß wie ein Blatt Papier, weil die verletzte Schulter höllisch schmerzte.
Gerinth war da, Jarlon, Gillon von Tareth, Beryl von Schun, Karstein, Brass und Mircea Shar. In den Augen des Priesters lag keine Furcht mehr, sondern brennende Scham. Er hatte erwartet, daß ihn die Rache der Tiefland-Krieger treffen würde. Er wußte, daß er Charrus Vertrauen getäuscht hatte, und es fiel ihm schwer zu begreifen, daß der Fürst von Mornag seine Motive akzeptierte.
Wenn sie gemeinsam kämpfen wollten, mußte jemand da sein, der für die Tempeltal-Leute sprach.
Charru hatte ihnen freigestellt zu gehen. Sie wollten nicht, auch wenn das vielleicht nur ein blinder Impuls der Furcht war.
Bar Nergal kauerte apathisch irgendwo draußen zwischen den Felsen und hatte es aufgegeben, nach der Unterwerfung unter den Willen der vermeintlichen Götter zu schreien. Mircea Shar war sich bewußt, daß die Verantwortung
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