Söhne der Erde 06 - Das Erbe des blauen Planeten
stellvertretende Raumhafen-Kommandant - aus Neugier oder welchen Motiven auch immer - zu weit in die Wüste gewagt und daß er dort vielleicht einen Unfall gehabt hatte.
Nun, in der Wüste steckte er nicht mehr - nicht innerhalb der Grenzen, die er im äußersten Fall zu Fuß hätte erreichen können. Also bestand nur noch die Möglichkeit, daß er zurückgekehrt war. Aber wenn er das getan hatte, dann bestimmt nicht zu den Hügeln, deren Gefahr er kannte, sondern in die Sonnenstadt, von der er annehmen konnte, daß die Wahnsinnigen sie wegen der Strahlung mieden.
Die Flottille landete.
Kirrands Stellvertreter ließ noch einmal die Ruinen durchsuchen - vergeblich. Von Helder Kerr fand sich nicht einmal eine Spur, und nach Meinung der Vollzugspolizisten konnte das nur heißen, daß er tatsächlich umgebracht worden war.
Bedauerlich, aber nicht zu ändern.
Der stellvertretende Vollzugschef sah keine andere Möglichkeit, als die Suche abzubrechen. Und er gab den Befehl zum Rückflug nach Kadnos in dem befriedigenden Gefühl, seine Pflicht getan zu haben.
*
Der Himmel war leer.
Charru kauerte auf Händen und Knien im roten Staub und starrte dorthin, wo er die anfliegenden Polizeijets gesehen hatte. Vor einer Sekunde? Einer Ewigkeit? Er wußte es nicht. In seiner Erinnerung klaffte ein schwarzer Abgrund. Er wußte nur, daß die Flottille des Vollzugs eben noch auf sie herabgestoßen war wie ein Schwarm tödlicher Raubvögel - und daß es jetzt so aussah, als hätten sich die Fahrzeuge in Luft aufgelöst.
Er keuchte noch von dem schnellen Lauf. Seine Muskeln zitterten, Schweiß rann über seine Haut. Also konnte die Bewußtlosigkeit nicht lange gedauert haben.
Die Jets mußten da sein.
Vielleicht waren sie gelandet. Vielleicht...
Er fuhr herum, als er das schwache Stöhnen neben sich hörte.
Katalin war am Boden zusammengesunken, jetzt begann sie sich zu regen. Camelo hockte benommen im Staub und blickte mit verschleierten Augen um sich. Seine Brust hob und senkte sich rasch, und auch in seiner Stimme klang noch die Atemlosigkeit der Flucht nach.
»Die Jets! Wo sind sie!«
»Ich weiß nicht«, murmelte Charru.
»Aber das ist nicht möglich! Sie müssen uns gesehen haben!«
Charru kam schwankend auf die Beine und half Katalin hoch. Sie lehnte sich gegen ihn, rieb sich fahrig mit dem Handrücken über die Augen. Auch Camelo war aufgestanden. Eine steile Falte kerbte sich auf seine Stirn.
»Es ist anders«, murmelte er.
Charru hatte sich davon überzeugt, daß Katalin nicht verletzt war. Jetzt wandte er sich um.
»Was ist anders?«
»Ich weiß nicht...« Camelos Augen verdunkelten sich, und auf seinem Gesicht lag ein abwesender Zug, als lausche er einer fernen Melodie nach. »Der Wind ...die Luft ...Charru!«
Das letzte hatte er scharf und erschrocken hervorgestoßen. Charru folgte seiner Blickrichtung - sekundenlang glaubte er, einer Halluzination zu erliegen.
Dort, wo sich eben noch nackte Wüste gedehnt hatte, wuchs staubiges Gras.
Die Mauern und Türme der Sonnenstadt hoben sich klar und scharf vor dem stahlblauen Himmel ab. Auch diese Mauern waren verändert. Sie wirkten glatter, wehrhafter - und auf dem höchsten Turm der Stadt wehte ein Banner!
Charru hielt den Atem an.
Er merkte nicht, daß er die Finger in Katalins Schulter gegraben hatte, und sie spürte es nicht, da auch sie gebannt zu der verwandelten Stadt hinüberstarrte. Etwas funkelte dort, gleißte, warf das Sonnenlicht in sprühenden Reflexen zurück. Etwas, das die vorher leeren Fensterhöhlen ausfüllte, das Innere der Häuser vor dem Staub schützte und...
»Sie ist bewohnt!« flüsterte Camelo. »Die Stadt ist bewohnt! Schaut doch! Die Tore!«
Charru sah erst jetzt, daß die Ringmauer höher war, als er sie in Erinnerung hatte, von Wehrgängen gekrönt, und daß massive eisenbeschlagene Tore die Mauerbögen verschlossen.
Gestalten bewegten sich zwischen den Zinnen. Hochgewachsene, wehrhafte Gestalten, in Kettenhemden gekleidet, mit langen, schmalen Schwertern bewaffnet - Krieger. Ihre Helme schimmerten golden und grün im Sonnenlicht. Die dunklen Gesichter wurden umrahmt von schwarzem Haar und einer sonderbaren, eckigen Barttracht. Etwas in diesen fremdartigen Gesichtern kam Charru bekannt vor. Im nächsten Augenblick wußte er, was es war.
»Sie gleichen den alten Marsstämmen«, sagte er, tonlos vor Überraschung.
Camelo wandte den Kopf.
In einer unbewußten Gebärde tasteten seine Finger zum Gürtel - nicht nach dem
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