Söhne der Erde 17 - Gefangene Der Zeit
sie für gewöhnlich derart scheu waren, entsprach Laras ursprünglicher Ansicht genauso wenig wie die Tatsache, daß sie sich zu Rudeln zusammenschlossen, um anzugreifen. Die Terraner konnten diese Punkte nicht beurteilen. In der künstlichen Miniatur-Welt unter dem Mondstein hatte es nur eine eng begrenzte Tierwelt gegeben, weil das ökologische Gleichgewicht - einschließlich der Bevölkerungszahl - jederzeit von außen reguliert werden konnte. Und ihre späteren Erfahrungen waren recht dürftig. Aus katzenähnlichen Wesen mußten sich die Bewohner der Ruinen von New York entwickelt haben. Aus Insekten und kleinen Nagern, die es ebenfalls hier auf der Insel gab, die riesigen Spinnen und Ratten der toten Stadt. Aber auf der neuen Erde, auf der die Terraner zweitausend Jahre nach der Großen Katastrophe gelandet waren, hatten Zerstörung, Verseuchung und gefährliche Strahlen vielfältige Mutationen hervorgebracht. Dies hier war eine andere Welt, in der andere Gesetze galten.
Gesetze, die nur Lara kannte, machte sich Charru klar.
Er ging langsam an einem umgestürzten Baumriesen entlang, der eine Bresche in das Dickicht geschlagen hatte. Camelo von Landre, sein Blutsbruder, balancierte neben ihm auf dem mächtigen Stamm. Die beiden Männer sahen sich ähnlich, gehörten beide zu den Sippen, denen ein gemeinsamer Vorfahre die schlanke, sehnige Gestalt, die bronzene Haut, das schwarze Haar und die blauen Augen vererbt hatte. Aber die Härte, die auf Charrus schmalen Gesicht lag, zeigten Camelos harmonischen, eher sanften Züge nur im Kampf, und seine Fähigkeit zum Träumen, zum schöpferischen Spiel verdankte er einem sorgloseren Leben, als es der Sohn und Erbe des Fürsten von Mornag hatte führen können. Camelo schnitzte Pansflöten, erfand Lieder und Balladen, trug stets die kleine dreieckige Grasharfe neben dem Schwert am Gürtel. Charru war früh von der Verantwortung geprägt worden , die er nach dem Tod seines Vaters übernehmen mußte. Beider Wesen hätte kaum verschiedener sein können, und doch verband sie seit ihrer Kindheit eine enge, unverbrüchliche Freundschaft.
»Wir müssen hier weg«, sagte Camelo, während er aufmerksam in die Runde sah. »Nicht nur wegen der Katzen - und allem, was vielleicht sonst noch kommt.«
»Glaubst du, die Manschen dieser Zeit würden uns genauso behandeln, wie es die Marsianer getan haben?«
»Was glaubst du?« Camelo lächelte. Seine blauen Augen, dunkler als die Charrus und ohne den durchdringenden Saphirglanz, funkelten flüchtig auf. »Die Marsianer wußten wenigstens, wer wir waren und woher wir kamen. Stell dir die Menschen dieser Zeit vor, wenn sie uns finden würden! Eine Horde mit Schwertern bewaffneter Barbaren, wie man sie nur noch aus Geschichtsbüchern kennt! Und nicht zu vergessen ein paar Lasergewehre, Strahlenmesser und andere Geräte, die es in dieser Zeit vielleicht überhaupt noch nicht gibt.«
Charru nickte.
»Du hast recht. Sie würden vielleicht keine Gefahr in uns sehen, aber ein wissenschaftliches Rätsel. Und das Ergebnis wäre ungefähr das gleiche.«
»Wissenschaftler, die vom Forschungsdrang gepackt werden.«
Camelo schauerte. »Dabei könnte man es ihnen nicht einmal verdenken. Es ist ihre Welt, und sie haben uns nicht gerufen.«
»Haben wir vielleicht darum gebeten, in ihre Welt verschlagen zu werden«, fragte Charru bitter.
»Immerhin waren wir nicht besonders unglücklich darüber, oder? Bar Nergals Flugzeuge kreisten über uns. Sie hatten die Maschine abgeschlossen, in der einer von Cris' Brüdern aus der toten Stadt geflohen war, und sie hätten unser Segelschiff mit Leichtigkeit bombardieren können. Im übrigen wissen wir nicht einmal, ob sie in unserer eigenen Zeit nicht immer noch nach uns suchen.«
Charru schwieg.
Er wußte selbst, daß der Oberpriester in seinem fanatischen Haß nicht aufgeben würde. Aber was blieb ihnen übrig, außer in die Gegenwart - ihre Gegenwart - zurückzukehren? Eine andere Zeit ? Vielleicht eine Erde, auf der es überhaupt noch keine Menschen gab, auf der sie endlich Frieden finden würden?
Ktaramons Erklärungen fielen ihm wieder ein. »Es ist gefährlich, mit der Zeit zu manipulieren ... Wer die Vergangenheit ändert, ändert auch die Zukunft ... Wer in die Zukunft reist, mag eine Reise ohne Wiederkehr erleben, denn Veränderungen in der Gegenwart können den Zeitstrahl erlöschen lassen, dem er im Fächer der Möglichkeiten folgt ...«Niemand konnte wissen, welches Unheil die Terraner
Weitere Kostenlose Bücher