Lucy in the Sky
Prolog
Von London nach Singapur
Freitag: Abflug London Heathrow 21 . 05 Uhr
Samstag: Ankunft Singapur 17 . 50 Uhr
Flugdauer: 12 Stunden 45 Minuten
»Ladies und Gentlemen, bitte schnallen Sie sich an, klappen Sie den Tisch vor Ihnen hoch und bringen Sie die Lehne Ihres Sitzes in aufrechte Position. Bei Start und Landung müssen sämtliche elektronischen Geräte ausgeschaltet sein, Handys dürfen erst wieder benutzt werden, wenn wir sicher am Singapore International Airport gelandet sind, denn Mobiltelefone können die Navigationssysteme der Maschine stören … «
Ach, verdammt, ich glaube, ich hab mein Handy angelassen. Mist! Es ist oben im Gepäckfach. Ich wäge meine Möglichkeiten ab: Soll ich den fetten Typen neben mir fragen, ob er mich mal bitte vorbeilassen könnte, oder soll ich einen Absturz riskieren? Fetter Typ? Absturz? Nein, das Risiko möchte ich nicht eingehen.
»Entschuldigen Sie bitte.«
Er sieht mich verwirrt an.
»Ich hab mein Handy nicht ausgeschaltet.«
Mit einem unzufriedenen Grunzen stupst er seine dürre Frau an, damit sie Platz macht. Dann hievt er sich schnaufend und ächzend aus seinem Sitz. Jetzt muss er nur noch ein Stück zur Seite gehen, dann wird alles gut. Das dauert ja eine Ewigkeit! Ob er bei einem Notfall wohl schneller wäre? Allmählich bereue ich, dass ich mich für einen Fensterplatz entschieden habe.
Endlich ist der Weg frei. Ich finde mein Handy blitzschnell in der Handtasche und sehe, dass ich eine SMS bekommen habe. Mein Finger schwebt über der Austaste, aber der kleine blinkende Briefumschlag ist einfach zu verlockend. Nein, ich kann nicht widerstehen. Aah, eine Nachricht von James.
Hi Lucy! Habe gerade mit James in deinem Bett geschlafen. Dachte, das interessiert dich vielleicht. 4 mal diesen Monat. Hübsche Bettwäsche. Xxx
Wie bitte? Ich versteh das nicht. Die SMS ist doch von James! Was meint er damit, er hat gerade mit James geschlafen …? O nein. Plötzlich hab ich ein Gefühl, als wäre mein Magen 10 000 Fuß tief abgestürzt, dabei ist das Flugzeug noch nicht mal gestartet.
Eine Flugbegleiterin kommt angeschwebt. »Miss, würden Sie sich bitte auf Ihren Platz setzen? Die Maschine wird gleich starten.«
Aber ich kann nicht. Meine Füße sind schwer wie Blei. Erschrocken starre ich die Frau an, das Handy fest umklammert.
»Sie müssen es ausschalten«, sagt sie mit eiserner Stimme und einem Kopfnicken in Richtung des leuchtenden Displays.
»Bitte, ich muss nur schnell … «
Aber sie schüttelt langsam und unerbittlich den Kopf, und Fettbacke stößt einen tiefen Seufzer aus. Ich spüre, wie Dutzende von Augenpaaren mich anstarren, während ich benommen auf meinen Platz zurückwanke. Die ganze Sitzreihe wackelt und bebt, als mein stämmiger Nachbar sich mühsam wieder neben mich quetscht.
»Miss. Ihr Handy.«
Ich schaue zu der strengen Flugbegleiterin auf und dann auf mein Handy hinunter. Die Nachricht schreit mir ins Gesicht.
Hi Lucy! Habe gerade in deinem Bett mit James geschlafen.
Aber ich habe keine Wahl. Mit Argusaugen beobachtet sie mich wachsam, und mein Finger drückt langsam auf den kleinen roten Knopf. Kein Atompilz steigt auf. Niemand stirbt. Nur das Licht auf dem Display erlischt, und mein Herz wird schrecklich schwer.
James hat mich betrogen.
Und die Schlampe ist so dreist, mir mit seinem Handy eine SMS zu schreiben.
Jetzt rollt die Maschine zur Startbahn. Draußen vor dem Fenster ist es kalt und windig, eine typisch englische Winternacht. Ich bin unterwegs nach Australien, zur Hochzeit meiner beiden besten Freunde, Molly und Sam. Und in den Sommersonnenschein …
Doch im Moment weiß ich nicht, ob mir jemals wieder warm werden wird. Ich habe das Gefühl, als ob mir jemand die Innereien rausgerissen und mich mit Eiswürfeln gefüllt hat.
Mein toller Freund hatte Sex mit einer anderen.
Auf einmal blitzt in meinem Kopf das Bild von ihm mit einer anderen auf. Mit einer anderen, die mit ihren Fingern durch seine strohblonden Haare fährt. Mit einer anderen, die in seine blauen, blauen Augen blickt. Eine andere, die sich an ihn schmiegt, beide Körper in Schweiß gebadet …
Ich glaube, ich muss mich übergeben. Hastig wühle ich in der Sitztasche vor mir und finde tatsächlich eine Kotztüte. Aber dann vergeht das Gefühl wieder, und ich zwinge mich, ruhig und tief zu atmen. O Gott, ich habe einen Dreizehnstundenflug vor mir! Wie soll ich den bloß überstehen?
Die Maschine ruckt nach vorn, und während sie die Startbahn
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