Söhne der Rosen - Das geheimnisvolle Tattoo (Gay Phantasy) (German Edition)
um den Eichentisch herum und nahm neben mir im Schneidersitz Platz. Etwas war merkwürdig, aber ich konnte es zu dem Zeitpunkt noch nicht einordnen.
„Danke.“
Er hielt mir sein Glas am ausgestreckten Arm entgegen und ich stieß mit ihm an. Dabei sahen wir uns tief in die Augen. Ich hatte einmal gehört, dass man das so machen muss, andernfalls ist es unhöflich oder bringt Unglück oder so. Jedenfalls war der Tee erfrischend und fruchtig.
„Lebst du allein hier, Alain? Ich dachte, das Haus sei unbewohnt.“
„Die meiste Zeit schon. Ich sehe meine Eltern selten, sie sind viel unterwegs. Du wohnst in dem Nachbarhaus, richtig?“
„Ja, ich bin vor etwa einer halben Woche mit meinen Eltern hierhergezogen.“
„Und, war es schlimm für dich? Woher kommst du?“
„Wir haben vorher in Nampa, Idaho gewohnt, und ja, es ist schlimm für mich. Versteh mich nicht falsch, im Grunde ist Nampa auch nur eine große Kleinstadt, aber Cape Orchid ist so, so ...“
„Ländlich?“
„Genau. Und ich habe eine Menge guter Freunde zurücklassen müssen.“
„Das kenne ich.“
„Kommst du aus Frankreich?
„Nein, aus Kanada.“
„Das hört man gar nicht. Du hast keinen Akzent.“
„Ich lebe auch schon eine sehr lange Zeit hier.“
„Aber wir gehen nicht auf dasselbe College, oder? Ich war zwar erst dreimal da, aber du wärst mir bestimmt auf dem Campus aufgefallen.“
Das einnehmende Lächeln tauchte wieder auf seinem Gesicht auf.
„So? Warum?“
Verdammt, damit hatte er mich. Was sollte ich darauf antworten? Ich wollte nur Konversation betreiben und hatte mich selber in die Ecke geredet.
„Weil“, begann ich langsam, „weil du ...“
„Hast du Lust auf Kartenspielen?“, unterbrach er mich ohne sein Lächeln zu verlieren. Dankbar für seine uneinschätzbare Spontaneität willigte ich sofort ein. Als er aufstand um die Karten zu holen, wurde mir endlich klar, was mir merkwürdig vorgekommen war: Obwohl Alain barfuß durch den Garten gegangen war, waren seine nackten Füße absolut sauber.
6
Mein Zeitgefühl ließ mich vollends im Stich. Wir spielten stundenlang Karten, lachten und redeten so viel, als würden wir uns seit Jahren kennen, tranken Eistee in rauen Mengen und rauchten gemeinsam seine halbe Schachtel Benson & Hedges. Letzteres war ein weiteres Geheimnis, das ich vor meinen Eltern, speziell vor dem General, hatte. Rauchen war für ihn ein Zeichen von Schwäche. Darum konnte ich mir nie eine eigene Schachtel kaufen. Wenn er sie gefunden hätte, und das wäre sehr wahrscheinlich gewesen, hätte er mich totgeschlagen.
Aber an dem Nachmittag war mir alles egal. Die Zeit war so wunderschön wie Alain selbst und ich fühlte mich stark angeheitert, obwohl kein Alkohol im Spiel war. Vielleicht war es der stetig vorherrschende Rosenduft in Kombination mit dem fruchtigen Tee.
Als wir das letzte Spiel beendet hatten, bemerkte ich, dass es langsam Zeit wäre, zu gehen. Ich wollte nicht, aber meine Eltern würden bald nach Hause kommen – zum ersten Mal dachte ich in Cape Orchid an zu Hause – und meine Mum würde sich Sorgen machen, da niemand wusste, wo ich war. Alain bot mir noch eine Benson & Hedges an und nahm sich selber auch eine. Zum ersten Mal an jenem Nachmittag zündete er seine Zigarette zuerst an und nahm das Streichholz nicht vor meinem Gesicht weg, als er auch meine Zigarette angezündet hatte. Dabei erschien auch sein Lächeln wieder, nur sah es nach einer Aufforderung aus. Ich fürchtete, er würde sich die Finger verbrennen, also pustete ich es aus. Eine leise Veränderung huschte über sein Gesicht, so dass aus dem Ausdruck der Aufforderung einer der Genugtuung wurde. Ich erwiderte sein Lächeln. Dann lehnte er sich zurück und zog genüsslich an seiner Zigarette. Dabei verrutschte sein offenes Hemd und gab den Blick auf einen farbigen Klecks neben seiner linken Brustwarze frei.
„Was ist das?“
„Eine Tätowierung.“
„Darf ich mal sehen?“
„Sicher.“
Ich beugte mich zu ihm vor. Es war eine Rose, welche die linke Seite seiner Brustwarze umfasste.
„Sie ist schön gestochen. Saubere Konturen und klare Farben“, sagte ich, während mir das Atmen schwerer fiel. Ich war ihm plötzlich so nah und sein Duft, besonders in Kombination mit der Tätowierung, ließ das prickelnde Gefühl in mir wieder aufsteigen.
„Hast du auch ein Tattoo?“
„Bist du verrückt? Der General würde mich umbringen. Er meint, dass sei nur was für Schwule und ... oh. Ich ...
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