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Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)

Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition)

Titel: Sohn der Verdammnis: Die Chronik der Erzengel. Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wendy Alec
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stand im Wintergarten unter dem hohen Glasdach und sah zu, wie Adrian auf der anderen Seite des Raumes Smalltalk mit Lord Kitchener, dem ehemaligen Vorsitzenden von BP , pflegte, einem gewaltigen Mann mit rotem Gesicht und einem gewachsten Schnurrbart. Hinter ihm hatte sich die übliche Schlange von Politikern, Industriemagnaten und Ölbaronen gebildet. Sie alle waren begierig darauf, dem erst vor kurzer Zeit vereidigten Präsidenten des europäischen Superstaats ihre Aufwartung zu machen.
    Jason konnte in seinem Bruder lesen wie in einem Buch. Jeder andere, der den jungen, agilen Politiker gesehen hätte, wäre davon überzeugt gewesen, dass er sich ausschließlich auf das Gespräch konzentrierte. Doch Jason wusste, dass sein Bruder sich zu Tode langweilte. Adrians linke Hand tappte seit einer Weile rhythmisch auf den antiken Tisch neben ihm. Adrian begann immer mit den Fingern zu klopfen, wenn sein Interesse nachließ. Schon seit er zwölf war. Jason unterdrückte ein Lächeln, dann ging er zu ihm hinüber, wobei er den diskret platzierten Personenschutzleuten und Grubers wachsamem Blick geschickt auswich.
    »Hallo, Kumpel«, flüsterte er. »Wie wär’s mit ’m Drink?«
    Er legte den Arm um Adrians streng bewachten Rücken. Gruber runzelte die Stirn. Jason runzelte zurück. Er und Adrian wechselten einen Blick.
    Jason visierte den Fluchtweg zur Bar an. Adrian unterdrückte ein Lächeln und schüttelte dem wortreichen Lord Kitchener die Hand. Anschließend nickte er Gruber zu, der sich entspannte, als Jason seinen jüngeren Bruder unter den eleganten Kerzenleuchtern vorbei an zahlreichen Topfpflanzen zu der wohlbestückten Bar geleitete.
    »Sir James Fulmore«, wisperte Jason mit einem Blick auf einen untersetzten Herrn mit Fliege. »Er will bestimmt was von dir.«
    »Und Owen Seymour, Ex-Rundfunkratsmitglied der BBC – auch er will was von mir.«
    »Babylon?«, fragte Jason, als sie die Bar betraten.
    Adrian nickte. »Wenn erst mal der Vertrag am 7 . Januar unterzeichnet ist, wird das Öl fließen wie die Niagarafälle … Jeder will einen Anteil an Babylon.«
    Jason wandte sich an den Barkeeper. »Einen Lagavulin.« Er sah Adrian fragend an.
    »Perrier.«
    Jason zuckte die Achseln. »Ein Perrier-Mineralwasser für den Europäischen Präsidenten.«
    Der Barkeeper nickte. Der Anblick des prominenten Gastes hatte ihm die Sprache verschlagen.
    Jason lehnte sich gegen die Bar.
    »Levine hat mir erzählt, dass die New Yorker und Moskauer Börse ihren Standort im Juli nach Babylon verlegen – und zwar für immer.«
    Adrian nickte. »Und die Bombayer Börse ebenfalls. Die gesamten Börsen des asiatischen Pazifikraums – Schanghai, Hongkong, Tokio – werden folgen. Desgleichen Mailand, Frankfurt und London.«
    »Du musst aber zugeben«, merkte Jason an, »dass der entscheidende Grund für die Anziehungskraft von Babylon der Beschluss der Vereinten Nationen war, ihren Sitz von New York nach dort zu verlegen.«
    Adrian nickte.
    »Das und die Tatsache, dass die EU und die Weltbank über zwei Billionen Dollar hineinpumpen, um die Stadt wiederaufzubauen.« Er nippte an seinem Perrierglas.
    »Und dass man Sadam Husseins Monument dem Erdboden gleichgemacht hat«, fügte Jason hinzu. »Seinen prähistorischen Schandfleck in der Landschaft, wie Nick es genannt hat.«
    Sie beide verstummten, als Nicks Name fiel.
    »Im Ernst, alter Kumpel, ist alles okay mit dir?«, fragte Jason schließlich. »Das Begräbnis, meine ich. Es hat bestimmt alte Erinnerungen geweckt.«
    Adrian blickte hinaus auf den Hyde Park. »Du meinst, an Melissa – und das Baby?«
    Jason nickte.
    Adrian starrte weiter ausdruckslos geradeaus.
    »Das wird Jahre brauchen, Jason …« Er zögerte. »Darüber wegzukommen, meine ich. Ihren Tod.«
    Jason musterte das Gesicht seines Bruders. Adrian wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
    »Tut mir leid, Kumpel«, sagte Jason. »Ich wollte dir nicht wehtun.«
    Aber Adrian hatte bereits seine Fassung wiedergefunden. Er legte Jason die Hand auf die Schulter.
    »Ist schon okay, Jason. Ich werde mit meinen eigenen Geistern leben müssen.«
    Jason nahm einen Schluck von seinem Whisky und knallte das Glas auf die Theke. Sein Blick ging durch den Raum.
    »Ich hasse diese Dinge. Meine soziale Kompetenz scheint heute ziemlich am Boden zu sein.«
    Ein leises Lächeln umspielte Adrians Lippen. Er legte die Hand auf Jasons Arm.
    »Ach, komm. Soziale Kompetenz war für dich immer ein Fremdwort, Jas.«
    Jason

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