Soko Mosel
auch anrufen können.«
»Aufstehen!«
Der Mann packte Lorenz am Oberarm und riss ihn unsanft hoch. Lorenz kam schwankend auf die Beine und wurde aus der Küche durch die Diele in das Wohnzimmer gestoßen. Dort nahm der Bullige ein schmales Plastikband aus der Jackentasche. Mit der gleichen Schlaufe waren wohl bereits seine Arme gefesselt. Er führte Lorenz vor einen schweren Eichenschrank, der offensichtlich schon durchwühlt worden war. Der Eindringling schloss einige Türen. Er rammte eine große Schublade in den Schrank. Dabei stopfte er den überquellenden Inhalt mit Gewalt ins Fach zurück. Lorenz’ Hände fesselte er an den Metallgriff der Lade. Dazu musste Lorenz leicht in die Knie gehen. Er stand wie ein Opfer am Marterpfahl.
Der Einbrecher nahm ihm gegenüber auf der Couch Platz. Vor ihm, auf dem niedrigen Tisch mit der dicken Glasplatte, stapelten sich Aktenordner und Zeitungen.
»Was sollen die Drohungen?«, blitzte er Lorenz gereizt an.
»Welche Drohungen?«
Der Mann langte in seine Jackentasche und zog ein Zigarettenpäckchen hervor. Es war mit Zeitungsschnipseln beklebt. Lorenz erkannte es sofort.
»Die passenden Lücken hab’ ich hier gefunden«, der Kerl schlug mit der flachen Hand auf einen Packen Zeitungen auf dem Glastisch.
Lorenz hielt es nicht mehr in der gehockten Stellung aus. Er streckte seine Beine weit nach vorn und lehnte sich mit dem Rücken an die Türen des Oberschranks.
»Drei Stück habe ich davon gefunden. Was soll das?«
Lorenz schwieg.
Der Bullige las vor: »NICHTS BLEIBT UNGESTRAFT!«
Seine Augen verengten sich. Er presste die Lippen zusammen: »Was soll der Spruch?«
Lorenz hatte viel Erfahrung mit Menschen in angespannten Situationen. Er wusste, dass die Entrüstung des Mannes nicht gespielt war. Der war mit Haut und Haaren bei der Sache.
»Haben Sie bei FARMERS gearbeitet, oder bestanden irgendwelche Beziehungen zu unserer Firma?«
Lorenz schüttelte den Kopf.
»Was ist es denn? Ökofanatiker oder sonst eine Spinnerei, he?«, der Mann nahm ein Telefonbuch in die Hand und kam auf Lorenz zu.
»He?«
Klatschend schlug er ihm das Buch links und rechts gegen den Kopf: »Was wollen Sie, he?«
Er brüllte und schlug weiter. Lorenz erinnerte sich an jahrzehntealte Verhörmethoden. Schläge mit Telefonbüchern taten weh, hinterließen bei den Opfern aber keine nennenswerten Spuren. Das galt jedoch nicht für die Telefonbücher selbst. Lorenz hatte sich wohl an den Scherben der Brillengläser im Gesicht verletzt. Der Buchumschlag in der Hand des FARMERS-Mannes färbte sich blutrot. Bei diesem Gedanken musste Lorenz lachen.
Der Schläger hielt inne. Schweißperlen standen auf seiner Stirn. Er keuchte.
Lorenz bemerkte eine Narbe im Gesicht seines Peinigers. Sie verlief in der Mitte seines dunklen Schnäuzers von der Oberlippe bis zur Nase.
»Wie ist das passiert?«, fragte Lorenz.
»Was passiert?«
»Das mit der Narbe unter Ihrer Nase.«
»Sag mal, kann es sein, dass du nicht ganz bei Trost bist?«, der Schläger zog die Lederjacke aus und warf sie über die Couch. »Hör gut zu, wir wissen jetzt, wer hinter diesen Drohungen steckt. Also, wag es ja nicht, nochmals in die Nähe von FARMERS zu kommen.«
Er steckte sich eine filterlose Zigarette an. Es war eine FARMERS aus einem Päckchen ohne Steuerbanderole, wie sie die Mitarbeiter der Fabrik jeden Monat stangenweise bekamen.
Er nahm einen Ordner vom Tisch und blätterte darin. »Du interessierst dich für Panzer?«
»Das gehört meinem Freund.«
»Was hat der mit Panzern zu tun?«
»Nichts.«
»Kommt jetzt schon wieder die Arschlochtour?«, der Mann von FARMERS schleuderte den Ordner in Lorenz’ Richtung und verfehlte ihn nur knapp.
»Der war Psychologe bei der Bundeswehr.«
»Und du?«
»Ich war auch da«, leierte Lorenz.
»Auch Psycho?«
»Nee.«
»Was denn?«
»War geheim.«
Der Schläger griff nach einem Fotoalbum und setzte zum Wurf an. Es gehörte zu den wenigen persönlichen Dingen, die Lorenz mit hierher gebracht hatte. Lorenz sagte blitzschnell: »Hatte was mit Ostabwehr und so zu tun.« Er wurde unruhig, als der andere das Album aufschlug.
»Ihre Frau?«, der Bullige drehte eine Seite in Lorenz’ Richtung.
»Ja, ja.«
»Sieht gut aus!«
»Ja, ja«, Lorenz schlug mit den Handflächen hinter sich an die Schublade. Seine Finger waren schon taub.
»Wo ist sie?«
»Ja, ja«, Lorenz wollte nicht zuhören. Er konnte mit niemandem über seine Frau sprechen. Im Moment konnte er noch nicht
Weitere Kostenlose Bücher