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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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zurück.
    Ich war zum ersten Mal allein über dem Ozean; der Eindruck war völlig anders als das, was man von den Fenstern aus erlebte. Vielleicht bewirkte dies auch der Tiefflug; ich glitt kaum ein paar Dutzend Meter über den Wellen dahin. Jetzt erst sah ich nicht bloß, sondern fühlte, daß die abwechselnden, fettig glänzenden Buckel und Schrunden des Abgrunds sich nicht wie die Meerflut oder wie eine Wolke bewegten, sondern wie ein Tier. Unausgesetzte, wenn auch ungemein langsame Anspannungen eines muskulösen nackten Rumpfes - so sah das aus; der Kamm jeder Welle wandte sich träge um und loderte im Rot des Schaums; als ich eine Kurve flog, um genau Kurs auf die ungemein langsam dahintreibende Mimoidinsel zu nehmen, schlug mir die Sonne direkt in die Augen, sprühte Blutblitze in den vorgewölbten Scheiben, während der Ozean selbst tintig bläulich wurde, mit Sprenkeln aus dunklem Feuer.
    Der Kreis, den ich nicht geläufig genug beschrieb, trug mich weit nach der Luvseite ab, und das Mimoid blieb als breiter, heller, mit unregelmäßigem Umriß vom Ozean abstechender Fleck hinter mir zurück. Es hatte die rosige Farbe eingebüßt, die ihm der Nebel verliehen hatte; es war gelblich wie ein ausgetrockneter Knochen; für einen Moment entschwand es meinen Blicken; statt seiner sah ich in der Ferne die Station scheinbar dicht über dem Ozean schweben, gleich einem riesigen, altväterischen Luftschiff. Mit voll angespannter Aufmerksamkeit wiederholte ich das Manöver; das Mimoidmassiv mit seinem steilen, grotesken Relief wuchs gerade vor mir an. Es schien mir, ich könnte die höchsten seiner knolligen Vorsprünge streifen, und ich zog den Hubschrauber so plötzlich hoch, daß er an Geschwindigkeit verlor und ganz ins Schlingern kam; die Vorsicht war überflüssig, denn die abgerundeten Wipfel der absonderlichen Türme glitten tief unter mir vorbei. Ich glich den Flug der Maschine der treibenden Insel an und begann langsam, Meter für Meter, an Höhe zu verlieren, bis die brüchigen Wipfel die Kabine überragten.
    Das Mimoid war nicht groß. Von einem Ende zum anderen maß es vielleicht eine Dreiviertelmeile, und die Breite betrug kaum ein paar hundert Meter; an manchen Stellen wies es Einschnürungen auf, die anzeigten, daß es dort bald auseinanderbrechen sollte. Es bildete gewiß ein Absprengsel von einer unvergleichlich größeren Formation; solarischen Maßstäben nach war das ein kleiner Splitter, eine Scherbe, die weiß Gott wieviele Wochen und Monate alt war.
    Ich entdeckte etwas wie eine Küste, die zwischen den faserigen Erhebungen dicht über dem Ozean abbrach, einige Dutzend Quadratmeter ziemlich abschüssiger, aber fast platter Fläche; dorthin lenkte ich die Maschine. Das Landen erwies sich als schwieriger, als ich gemeint hatte; um ein Haar wäre ich mit dem Rotor an eine Wand angestoßen, die vor meinen Augen emporwuchs, aber ich schaffte es. Ich stellte sofort den Motor ab und warf die Kuppel zurück. Auf dem Flügel stehend, überprüfte ich noch, ob der Helikopter nicht etwa Gefahr liefe, in den Ozean abzurutschen; die Wellen leckten die gezahnte Kante einige zehn Schritte weit von meinem Landeplatz, aber der Hubschrauber stand
    sicher auf den breit auseinandergespreizten Kufen. Ich sprang auf die … »Erde«. Was ich vorhin für eine Wand gehalten hatte, an die ich fast angestoßen wäre, das war eine riesige, wie ein Sieb durchlöcherte, hautdünne knöcherne Platte, die hochkant aufgestellt war, durchwachsen von balustradenartigen Verdickungen. Ein mehrere Meter breiter Spalt schnitt sich schräg durch diese ganze mehrstöckige Fläche und öffnete ebenso, wie ihre großen, unregelmäßig verstreuten Löcher - den Blick in den Hintergrund. Ich kletterte auf die nächste, schiefe Gurtung der Wand, dabei stellte ich fest, daß die Schuhe des Raumanzugs ungemein gut angriffen, und daß der Raumanzug selbst bei den Bewegungen überhaupt nicht hinderlich war; als ich mich etwa vier Stockwerke über dem Ozean befand und mich dem Inneren der skelettigen Landschaft zuwandte, konnte ich sie erst richtig genau ins Auge fassen.
    Erstaunlich war die Ähnlichkeit mit einer archaischen, halb in Schutt verwandelten Stadt, irgendeiner exotischen, jahrhundertealten marokkanischen Ansiedlung, die von einem Erdbeben oder einer anderen Katastrophe zerschmettert worden ist. Am deutlichsten sah ich gewundene, teilweise verschüttete und von Trümmern blockierte Straßenschluchten, die verschlungen und abschüssig

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