Solaris
nicht beleuchtet. Tastend fand ich den Lichtschalter. Als ich in der Kartei den ersten Band des solaristischen Jahrbuchs samt Annex aufgesucht hatte, leuchtete auf den Tastendruck hin das rote Licht auf. Ich zog das Hilfsregister zu Rate - das Buch befand sich unten bei Gibarian, ebenso wie das andere, diese »Kleine Apokryphe«. Ich löschte das Licht und ging wieder hinunter. Ich fürchtete mich vor dem Betreten der Kabine, obwohl ich vorhin die Schritte gehört hatte. Das Weib konnte ja zurückgekommen sein. Eine Zeitlang stand ich vor der Tür, dann biß ich die Zähne zusammen, überwand mich und trat ein.
Das beleuchtete Zimmer war leer. Ich begann zwischen den Büchern herumzuwühlen, die beim Fenster auf dem Fußboden lagen; einmal ging ich zum Schrank und schloß ihn. Ich konnte diese leere Stelle zwischen den Overalls nicht ansehen. Beim Fenster war der Annex nicht. Band für Band stellte ich systematisch um, bis ich zu dem letzten Bücherhaufen vordrang, der sich zwischen dem Bett und dem Schrank ausbreitete. Dort fand ich den gesuchten Band.
Ich hoffte darin irgendeinen Hinweis zu finden, und wirklich steckte im Namensindex ein Lesezeichen; mit Rotstift war ein Namen angestrichen, der mir nichts sagte: Andre’ Berton. Er kam auf zwei getrennten Seiten vor. Ich schlug zuerst die frühere Stelle nach und erfuhr, daß Berton Ersatzpilot in Shannahans Raumschiff gewesen war. Zum nächsten Mal wurde er über hundert Seiten danach erwähnt. Unmittelbar nach der Landung war die Expedition mit außerordentlicher Vorsicht zu Werk gegangen, aber als sich nach sechzehn Tagen herausgestellt hatte, daß der Plasma-Ozean nicht nur keinerlei Anzeichen von Aggressivität zeigte, sondern sogar vor jedem an seine Oberfläche herangeführten Objekt zurückwich und den unmittelbaren Kontakt mit Apparaten und Menschen vermied, wo er nur konnte, da hoben Shannahan und sein Stellvertreter Timolis einen Teil jener durch die
Vorsicht diktierten Verschärfungen auf, da sie die Durchführung der Arbeiten ungemein erschwerten und verzögerten.
Damals wurde die Expedition in kleine Zweier- und Dreiergruppen aufgespalten, die über dem Ozean Flüge von manchmal mehreren hundert Meilen durchführten; die vorher als Deckung verwendeten, das Arbeitsgebiet abschließenden Werfer wurden nun in der Basis untergebracht. Die ersten vier Tage nach diesem Methodenwechsel verflossen ohne irgendwelche Zwischenfälle, abgesehen von hin und wieder auftretenden Schäden an der Sauerstoffapparatur der Raumanzüge; die Auslaßventile erwiesen sich nämlich als anfällig für die Korrosionswirkung der giftigen Atmosphäre. Daher mußten sie fast täglich gegen neue ausgetauscht werden.
Am fünften Tag, oder vom Augenblick der Landung an gerechnet am einundzwanzigsten, unternahmen zwei Forscher, Carucci und Fechner (ersterer war Radiobiologe, letzterer Physiker), über dem Ozean einen Explorationsflug in einem kleinen zweisitzigen Aeromobil. Das war kein Flugzeug, sondern ein Gleitfahrzeug, das sich auf einem Polster verdichteter Luft fortbewegte.
Als sie nach sechs Stunden nicht zurück waren, verfügte Timolis, der in Shannahans Abwesenheit die Basis leitete, den Alarmzustand und schickte alle erreichbaren Leute auf die Suche.
Durch ein widriges Zusammentreffen von Umständen war an diesem Tag etwa eine Stunde nach dem Aufbruch der Forschungsgruppen die Funkverbindung abgerissen; die Ursache war ein großer Fleck der roten Sonne, der starke Korpuskularstrahlung in die äußeren Schichten der Atmosphäre aussendete. Nur die Ultrakurzwellengeräte funktionierten und ermöglichten die Verständigung über eine Distanz von nicht viel mehr als zwanzig Meilen. Zu allem Unglück wurde vor Sonnenuntergang der Nebel dichter, und die Suche mußte unterbrochen werden.
Als die Rettungsgruppen schon zur Basis unterwegs waren, entdeckte eine von ihnen das Aeromobil, kaum 80 Meilen vom Ufer entfernt. Der Motor arbeitete, und die Maschine schwebte unbeschädigt über den Wellen. In der durchsichtigen Kabine befand sich, halb bewußtlos, nur ein Mensch: Carucci.
Das Aeromobil wurde zur Basis gebracht, und Carucci ärztlicher Behandlung unterzogen; noch am selben Abend kam er zu sich. Über Fechners Schicksal konnte er nichts sagen. Er erinnerte sich nur mehr, daß er plötzlich Atemnot verspürt hatte, als sie eben beabsichtigt hatten, heimzukehren. Das Auslaßventil seines Apparats hatte sich verklemmt, und ins Innere des Raumanzugs gelangte bei jedemmal
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