Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
Schweiß, aber selbst als sie einen Schritt weit von mir vorbeigekommen war, hatte ich nichts gerochen.
    Ich weiß nicht, wie lang ich dort an der kühlen Metallwand lehnte. Stille erfüllte die Station, der einzige hörbare Laut war das ferne, eintönige Geräusch von den Kompressoren der Klimaanlage.
    Ich schlug mir leicht die flache Hand ins Gesicht und ging langsam zur Funkstation. Als ich die Klinke drückte, hörte ich die schaffe Stimme:
    - Wer da?
    -    Ich bin’s. Kelvin.
    Er saß bei einem Tischlein zwischen einem Stapel Aluminiumschachteln und dem Pult des Senders und aß ein Fleischkonzentrat direkt aus der Dose. Ich weiß nicht, warum er sich die Funkstation als Wohnung ausgesucht hatte. Ich stand verdattert bei der Tür, betrachtete seine gleichmäßig kauenden Kinnladen und spürte auf einmal, wie hungrig ich war. Ich ging zum Regal, wählte aus einem Stapel von Tellern den am wenigsten verstaubten aus und setzte mich Snaut gegenüber. Eine Zeitlang aßen wir schweigend, dann stand Snaut auf, holte aus einem Wandschränkchen eine Thermosflasche und schenkte jedem ein Glas heiße Fleischbrühe ein. Er stellte die Thermosflasche auf den Fußboden, weil auf dem Tischlein kein Platz mehr war, und fragte:
    -    Hast du Sartorius gesehen?
    -    Nein. Wo ist er?
    -    Oben.
    Oben war das Laboratorium. Wir aßen schweigend weiter, bis das Blech in der geleerten Dose knirschte. In der Funkstation war Nacht. Das Fenster war von außen dicht verschlossen, unter der Decke brannten vier ringförmige Glimmröhren. Ihre Spiegelungen zitterten auf dem Plastikgehäuse des Senders.
    Auf Snauts Jochbeinen zogen sich rote Äderchen durch die gespannte Haut. Er trug jetzt einen schwarzen, weiten, zerschlissenen Pullover.
    -    Fehlt dir was? - fragte Snaut.
    -    Nein. Was soll mir fehlen?
    -    Du bist ganz verschwitzt.
    Ich fuhr mit der Hand über die Stirn. Ich troff wirklich von Schweiß, das muß die Reaktion auf den vorangegangenen Schock gewesen sein. Snaut schaute mich forschend an. Sollte ich es ihm sagen? Lieber wäre mir gewesen, er selbst hätte mir mehr Vertrauen gezeigt. Wer spielte hier gegen wen und auf welche unbegreifliche Weise?
    -    Heiß ist es - sagte ich. - Ich hätte gedacht, daß die Klimaanlage bei euch besser funktioniert.
    -    Ungefähr in einer Stunde gleicht sich das aus. Bist du sicher, daß das nur von der Hitze kommt? - er hob den Blick zu mir auf. Ich kaute emsig, so als hätte ich das nicht gesehen.
    -    Was hast du vor? - fragte Snaut endlich, als wir fertiggegessen hatten. Er warf alles Geschirr und die leeren Dosen in das Waschbecken an der Wand und kehrte auf seinen Lehnsessel zurück.
    -    Ich richte mich nach euch - erwiderte ich phlegmatisch. - Ihr habt doch wohl einen Forschungsplan? Irgendeinen neuen Reiz, angeblich Röntgen oder so was, nicht wahr?
    -    Röntgen? - Er zog die Brauen hoch. - Wo hast du das gehört?
    -    Weiß ich nicht mehr. Das hat mir jemand gesagt. Vielleicht auf dem Prometheus. Und? Macht ihr das schon?
    -    Die Einzelheiten kenne ich nicht. Das war Gibarians Idee. Er hat das mit Sartorius angefangen. Aber wie kannst du davon etwas wissen?
    Ich zuckte die Achseln.
    -    Die Einzelheiten kennst du nicht? Du müßtest doch dabei sein, das fällt ja in dein Gebiet - ich sprach nicht zu Ende. Er schwieg. Das Jaulen aus den Klimageräten klang ab, und die Temperatur hielt sich auch in erträglichen Grenzen. Nur ein unablässiger hoher Ton wie das Summen einer sterbenden Fliege hing in der Luft. Snaut stand auf, ging zum Steuerpult und begann die Schalter zu flippen, völlig sinnlos, da der Hauptausschalter in Tot-Stellung war. Snaut spielte eine Weile so herum; ohne den Kopf zu wenden, bemerkte er schließlich:
    -    Es wird nötig sein, die Formalitäten zu erledigen, wegen dieser Sache…, weißt du.
    -    So?
    Er wandte sich um und blickte mich an, er schien der Wut nahe. Ich kann nicht sagen, daß ich mich absichtlich bemüht hätte, ihn aus der Fassung zu bringen, aber da ich nichts verstand, was hier gespielt wurde, war ich lieber zurückhaltend. Ihm hüpfte der spitzige Adamsapfel über dem schwarzen Rollkragen.
    -    Du warst bei Gibarian - sagte Snaut plötzlich. Eine Frage war das nicht. Ich zog die Brauen hoch und schaute ihm ruhig ins Gesicht.
    -    Du warst in seinem Zimmer - wiederholte er.
    Ich machte eine kleine Kopfbewegung, so als sagte ich »mag sein« oder »gut, nehmen wir

Weitere Kostenlose Bücher