Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
dieser nebelfreien Stellen ausbrechen, wirklich gelang mir das nach etwa einer halben Stunde. Ich flog in freien Raum hinaus, in einen fast regelrechten Kreis von einigen hundert Metern Durchmesser. Begrenzt wurde er vom Nebel, der heftig brodelte, wie von starken Konvektionsströmen hochgetrieben. Deshalb suchte ich möglichst in der Mitte des »Lochs« zu bleiben, da war die Luft am ruhigsten. Ich bemerkte nun die Veränderung der Ozeanoberfläche. Die Wellen waren fast ganz verschwunden, und diese Flüssigkeit - das, woraus der Ozean ist, - wurde in der obersten Schicht durchscheinend mit rauchigen Trübungen; die verschwanden dann, nach kurzer Zeit kam es zu völliger Klärung, und ich konnte durch eine wohl etliche Meter dicke Schicht ins Innere schauen. Dort sammelte sich etwas wie gelblicher Schlamm, der in dünnen, senkrechten Bändchen nach oben stieg; sobald er auftauchte, wurde er glasig glänzend, begann zu wallen und zu schäumen und versteifte sich; nun sah er so ähnlich aus wie dicker, angebrannter Zuckersirup. Dieser Schlamm oder Schleim sammelte sich zu dicken Knoten, wuchs über die Ozeanfläche empor, erzeugte höckerige Erhebungen und bildete langsam allerlei Formen aus. Es begann mich zur Nebelwand hin abzutreiben, also mußte ich ein paar Minuten lang mit Gas und Steuer dieser Bewegung entgegenarbeiten; als ich wieder hinausschauen konnte, erblickte ich tief unter mir etwas, was an einen Garten erinnerte. Ja, an einen Garten. Ich sah Zwergbäumchen, und Hecken, und Wege, alles nicht echt, das war alles aus dieser einen Substanz, die schon völlig steif war, wie gelblicher Gips. So sah das aus; der Ozeanspiegel glänzte stark, ich ließ mich hinab, wie ich nur konnte, um das genauer zu besehen.
    Frage: Diese Bäume und die anderen Pflanzen, die du gesehen hast, hatten die auch Blätter?
    Antwort Bertons: Nein. Das war nur so die allgemeine Form, so etwas wie das Modell eines Gartens. Oh, genau! Das Modell! So hat das ausgesehen. Ein Modell, aber wohl in natürlicher Größe. Nach einer Weile begann alles zu springen und zu zerbrechen; durch die Ritzen, die ganz schwarz waren, quetschte sich dicker Schleim wellenweise an die Oberfläche hervor und erstarrte, teils rann er ab, teils blieb er, und alles begann immer energischer durcheinanderzustürzen und bedeckte sich mit Schaum, und außer Schaum
    sah ich nichts mehr. Zugleich begann mich der Nebel von allen Seiten einzuengen, also erhöhte ich die Drehzahl und stieg auf dreihundert Meter.
    Frage: Bist du ganz sicher, daß das, was du gesehen hast, an einen Garten erinnerte, an nichts anderes?
    Antwort Bertons: Ja. Weil ich dort verschiedene Einzelheiten bemerkt habe. Zum Beispiel erinnere ich mich, daß an einer Stelle so würfelförmige Kistchen aufgereiht standen. Später fiel mir ein, daß das eine Bienenzucht gewesen sein konnte.
    Frage: Später fiel dir das ein? Aber nicht, während du es gesehen hast?
    Antwort Bertons: Nein, denn das war alles wie aus Gips. Und ich sah noch andere Sachen.
    Frage: Was für Sachen?
    Antwort Bertons: Ich kann nicht sagen, was für welche, denn genau konnte ich sie in der Geschwindigkeit nicht ansehen. Ich hatte den Eindruck, daß unter einigen Sträuchern Werkzeug lag, das waren längliche Formen mit wegstehenden Zähnen, etwas wie Gipsabgüsse kleiner Gärtnermaschinen. Aber das weiß ich nicht völlig sicher. Das andere
    - ja.
    Frage: Hast du dir nicht gedacht, daß das eine Halluzination war?
    Antwort Bertons: Nein. Ich habe gedacht, das sei eine Fata Morgana. An eine Halluzination habe ich nicht gedacht, denn ich fühlte mich völlig wohl, und auch deshalb nicht, weil ich nie im Leben etwas Derartiges gesehen hatte. Als ich auf dreihundert Meter hinaufstieg, war der Nebel unter mir von Einbuchtungen durchlöchert, ganz wie ein Käse hat er ausgeschaut. Eines dieser Löcher war leer, und ich sah darin den Ozean wogen, in anderen wieder brodelte etwas. Ich flog in eine dieser Stellen hinein, und aus vierzig Meter Höhe sah ich, daß unter der Ozeanoberfläche, aber knapp darunter, eine Wand lag, etwas wie die Wand eines sehr großen Gebäudes; sie schimmerte hell durch die Wellen und hatte Reihen regelmäßiger, rechteckiger Öffnungen, wie Fenster; es schien mir sogar, daß sich in manchen Fenstern etwas bewegte, aber dessen bin ich nicht so ganz sicher. Diese Wand begann sich langsam zu heben und aus dem Ozean hervorzutauchen. Der Schleim troff in ganzen Wasserfällen an ihr herab, und auch irgendwelche

Weitere Kostenlose Bücher