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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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stärker und stärker aufquellenden Zweige zu einer einzigen pilzförmigen Wolke zusammen, deren oberer Teil im Feuer zweier Sonnen mit dem Wind auf weite Wanderschaft zog, während der untere in schweren, traubigen Trümmern, die ein Drittel des Horizonts durchflockten, überaus langsam absank. Nach einer Stunde war die letzte Spur von diesem Schauspiel verschwunden.
    Und wieder vergingen zwei Tage, das Experiment wurde zum letzten Mal wiederholt, die Röntgenstiche hatten schon ein beträchtliches Stück Plasmafläche erfaßt, im Süden zeigten sich, von unserer Erhöhung aus trotz der Entfernung von dreihundert Kilometern bestens sichtbar, die Arrheniden, eine sechsfache felsige Kette wie mit Schnee überfrorener Gipfel; in Wirklichkeit ist der Belag organischer Herkunft und bezeugt, daß diese Formation einst den Grund des Ozeans gebildet hat.
    Nun änderten wir den Kurs auf Südost und glitten eine Zeitlang parallel zu der Bergbarriere dahin; sie war mit Wolken durchmengt, wie sie für den rostroten Tag typisch sind; schließlich verschwanden auch sie. Seit dem ersten Experiment waren schon zehn Tage verstrichen.
    Während all dieser Zeit geschah in der Station eigentlich nichts; nachdem Sartorius die Programmierung des Experiments einmal ausgearbeitet hatte, wiederholte es die automatische Apparatur, und ich bin nicht einmal sicher, ob irgend jemand ihre Tätigkeit kontrollierte. Aber zugleich geschah in der Station weit mehr, als wünschenswert sein konnte. Nicht von Mensch zu Mensch. Ich befürchtete, Sartorius werde die Wiederaufnahme der Arbeiten am Annihilator fordern; ich wartete auch auf eine Reaktion Snauts: der andere konnte ihn ja darüber aufklären, daß ich ihn in gewissem Grade betrogen hatte, durch Übertreiben der Gefahren, die das Vernichten von Neutrino-Materie nach sich zieht. Doch nichts dergleichen erfolgte, aus zunächst für mich völlig rätselhaften Gründen; selbstverständlich zog ich auch eine Hinterlist der beiden in Betracht, die
    Geheimhaltung von Vorbereitungen und Arbeiten; daher warf ich täglich einen Blick in den fensterlosen Raum dicht unter dem Fußboden des Hauptlaboratoriums, dorthin, wo sich der Annihilator befand. Nie traf ich dort jemanden an, und daß seit vielen Wochen niemand den Apparat auch nur berührt hatte, davon zeugte die Staubschicht, die seine Panzer und Kabel bedeckte.
    Snaut wurde zu jener Zeit ebenso unsichtbar wie Sartorius und noch ungreifbarer als er, denn auch das Visofon in der Funkstation antwortete nicht mehr auf Anrufe. Die Bewegungen der Station muß jemand gelenkt haben, aber ich kann nicht sagen wer, denn das kümmerte mich einfach nicht, obwohl das vielleicht sonderbar klingt. Das Fehlen einer Reaktion seitens des Ozeans ließ mich auch gleichgültig, in solchem Grade, daß ich nach zwei, drei Tagen nicht bloß aufhörte, auf eine zu rechnen oder sie zu befürchten, sondern sie und den Versuch gänzlich vergaß. Ganze Tage versaß ich entweder in der Bibliothek oder in der Kabine mit Harey, die mich wie mein Schatten umschlich. Ich sah, daß es ungut zwischen uns stand, und daß sich dieser apathische und besinnungslose Schwebezustand nicht ins Unendliche hinziehen konnte. Ich hatte ihn irgendwie zu überwinden, an unseren Beziehungen etwas zu ändern, aber den bloßen Gedanken irgendeiner Änderung schob ich von mir, ich war unfähig, irgendeine Entscheidung zu treffen; ich weiß das nicht anders zu erklären, jedenfalls schien mir alles in der Station, und schon besonders das, was zwischen Harey und mir war, im Zustand ungemein labilen, halsbrecherisch aufgetürmten Gleichgewichts zu verweilen, so daß jedes Antasten alles zum Einsturz bringen konnte. Warum? Das weiß ich nicht. Das Merkwürdigste war, daß auch sie, zumindest in gewissem Grad, etwas Derartiges verspürte. Wenn ich jetzt an all das denke, scheint es mir, daß diese Empfindung der Ungewißheit, der Schwebe, des Augenblicks vor dem nahenden Erdbeben, hervorgerufen wurde durch jene auf keine andere Weise spürbare, alle Decks und Räumlichkeiten der Station erfüllende Präsenz. Allerdings gab es da vielleicht noch eine andere Weise, sie zu erahnen: die Träume. Da ich solche Gesichte nie zuvor gehabt hatte - ebensowenig wie danach -, beschloß ich, jeweils ihren Inhalt aufzuschreiben, und nur dies ermöglicht mir, irgend etwas über diese Träume aus mir herauszuquetschen, aber das ist auch nur Stückwerk, das fast alle ihre erschütternde Fülle eingebüßt hat. In

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