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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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verzeichnete, konnte man auf der Solaris ungefähr zwei- oder dreimal pro Jahr beobachten, mit ein wenig Glück sogar noch öfter.
    In der nächsten Nacht, etwa eine Stunde vor dem erwarteten Aufgang der blauen Sonne, waren wir Zeugen eines anderen Phänomens: der Ozean phosphoreszierte. Zunächst tauchten auf seiner vom Dunkel verborgenen Oberfläche vereinzelte Flecken von Licht auf, oder eher von weißlichem, diffusem Aufdämmern, und bewegten sich nach dem Wellenrhythmus. Sie flossen ineinander und weiteten sich aus, bis die schemenhafte Helligkeit alle Horizonte einnahm. Etwa fünfzehn Minuten lang stieg die Intensität des Leuchtens; dann endete das Phänomen auf erstaunliche Weise: der Ozean begann zu erlöschen, in breiter Front von wohl Hunderten Meilen zog von Westen her eine Zone der Finsternis auf, und als sie bis zur Station gelangt und über sie hinweggeschritten war, erschien der noch phosphoreszierende Teil des Ozeans als hoch in die Nacht hinaufreichender Lichtschein, der sich immer weiter gegen Osten entfernte. Am Horizont selbst eingetroffen, wurde er einem riesigen Nordlicht ähnlich und verschwand sofort. Als bald darauf die Sonne aufging, erstreckte sich wieder nach allen Richtungen die leere, leblose Fläche, kaum vom Kräuseln der Wellen gezeichnet, die quecksilbriges Blitzen in die Fenster der Station entsandten. Die Phosphoreszenz des Ozeans war ein bereits
    beschriebenes Phänomen; in einem bestimmten Prozentsatz der Fälle war sie vor dem Ausbruch von Asymmetriaden beobachtet worden, außerdem war sie ein eher typisches Anzeichen örtlich verstärkter Plasmaaktivität. Doch während der nächsten zwei Wochen ereignete sich nichts, weder draußen, noch in der Station. Nur einmal, mitten in der Nacht, hörte ich einen fernen Schrei, der überallher und zugleich nirgendsher zu kommen schien, ungemein hoch, scharf und langgezogen, eigentlich ein übermenschlich gesteigertes Wimmern; aus einem Alptraum aufgerüttelt, lag ich lange Zeit und lauschte dem Schrei, nicht völlig sicher, ob er nicht auch ein Traum sei. Tags zuvor waren aus dem Laboratorium, das zum Teil über unserer Kabine lag, gedämpfte Geräusche herabgedrungen, etwas wie das Verrücken großer Lasten oder Apparate; dieser Schrei schien mir auch von oben zu kommen, im übrigen auf unbegreifliche Weise, denn die beiden Stockwerke trennte eine schalldichte Decke. Fast eine halbe Stunde lang dehnte sich diese Agoniestimme aus. Schweißgebadet, halb wahnsinnig, wollte ich schon hinauflaufen, so zerrte sie an den Nerven. Doch zuletzt verstummte sie, und wieder war nur das Verrücken von Lasten zu hören.
    Zwei Tage später, am Abend, als ich mit Harey in der kleinen Küche saß, kam unvermutet Snaut herein. Er trug einen Anzug, einen echten irdischen Anzug, der ihn veränderte. Er sah größer aus und gealtert. Er schaute uns kaum an, trat zum Tisch, beugte sich darüber und begann, ohne sich hinzusetzen, das kalte Fleisch direkt aus der Dose zu essen und Brot dazwischen einzuschieben. Dabei ließ er den Ärmel in die Dose hängen und beschmutzte ihn mit Fett.
    -    Du beschmierst dich - sagte ich.
    Mit vollem Mund machte Snaut nur: - Hm? - Er aß, als hätte er seit Tagen nichts zu kauen gehabt, schenkte sich ein halbes Glas Wein ein, trank in einem Zug aus, wischte sich den Mund, atmete auf und blickte mit den blutunterlaufenen Augen um sich. Nun schaute Snaut zu mir herüber und murmelte:
    -    Du hast dir den Bart wachsen lassen…? Schau, schau…
    Harey warf mit Gepolter das Geschirr ins Spülbecken. Snaut begann sich leicht auf den Absätzen zu wiegen, verzog das Gesicht und schmatzte laut, als er mit der Zunge die Zähne reinigte. Ich hatte den Eindruck, daß er das absichtlich tat.
    -    Das Rasieren freut dich nicht, wie? - fragte er und starrte mich hartnäckig an. Ich sagte nichts.
    -    Gib acht! - versetzte er nach einer Weile. - Ich rate es dir. Er hat auch zuerst aufgehört, sich zu rasieren.
    -    Geh schlafen - murmelte ich.
    -    Wie? Du hältst mich wohl für blöd! Warum sollen wir nicht miteinander plaudern? Hör zu, Kelvin, es kann doch auch sein, daß er uns wohlwill? Vielleicht will er uns beglücken, bloß weiß er noch nicht wie. Er liest uns die Wünsche von den Hirnen ab, und nur zwei Prozent der Nervenprozesse sind ja bewußt. Also kennt er uns besser, als wir selbst. Also haben wir auf ihn zu hören. Beizupflichten. Hörst du? Du willst nicht? Warum - seine Stimme überschlug sich

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