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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Verhältnissen, die sich eigentlich nicht ausdrücken lassen, in Räumen ohne Himmel, Erde, Fußböden, Decken oder Wände verweilte ich, wie eingeschrumpft oder eingekerkert in einer Substanz, die mir äußerlich fremd war, so, als wäre mir der ganze Körper hineinverwachsen in einen halb leblosen, trägen, formlosen Klumpen, oder eher, als wäre ich er selbst und ohne Körper, umgeben von zunächst undeutlichen Flecken in Blaßrosa, die in einem Medium mit anderen optischen Eigenschaften als die Luft in Schwebe waren; demnach wurden erst aus allernächster Nähe die Dinge deutlich, sogar übermäßig und übernatürlich deutlich, denn meine unmittelbarste Umgebung übertraf in diesen Träumen an Dinglichkeit und Körperhaftigkeit die Eindrücke des Wachdaseins. Beim Aufwachen hatte ich das paradoxe Gefühl, daß das Wachdasein, das echte Wachdasein eben jenes vorige gewesen sei - und was ich nach Öffnen der Augen sah, das sei nur ein vertrockneter Schatten davon.
    So war also das erste Bild, der Anfang, woraus der Traum sich entspann. Rings um mich wartete etwas auf Genehmigung, auf mein Einverständnis, auf ein innerliches Beifallnicken, indessen wußte ich, oder eher wußte etwas in mir, daß ich der unverständlichen Versuchung nicht erliegen durfte, denn je mehr ich - schweigend -verspräche, um so furchtbarer werde das Ende sein. Aber eigentlich wußte ich das nicht, sonst hätte ich mich wohl gefürchtet, Angst jedoch empfand ich nie. Ich wartete. Aus dem rosigen Nebel, der mich umgab, tauchte die erste Berührung hervor, und ich, unbeweglich wie ein Klotz, irgendwo tief drinnen feststeckend in dem, was mich gleichsam einsperrte, konnte weder zurückweichen, noch mich rühren, und das andere untersuchte meinen Kerker durch blinde und zugleich sehende Berührungen, und schon war das gleichsam
    eine Hand, die mich schuf; bis dahin hatte ich nicht einmal das Augenlicht gehabt, und nun sah ich; unter Fingern, die tastend mein Gesicht entlangwanderten, tauchten aus dem Nichts meine Lippen, meine Wangen hervor, und in dem Grad, wie sich diese in unendlich kleine Bruchteile zerlegte Berührung ausweitete, hatte ich schon Gesicht und atmenden Oberkörper, alles ins Dasein gerufen durch diesen - symmetrischen - Schöpfungsakt: denn auch ich, im Geschaffenwerden, schuf meinerseits, und es erschien ein Gesicht, wie ich es nie gesehen hatte, fremd, bekannt, ich suchte ihm in die Augen zu schauen, aber das konnte ich nicht, weil fortwährend alles in den Proportionen vertauscht war, weil es hier keine Richtungen gab, und nur in einer Art von inbrünstigem Schweigen entdeckten wir einander und wurden, wechselweise, und ich war schon ich in voller Lebendigkeit, ich, aber gleichsam grenzenlos gesteigert, und jenes Wesen - jene Frau? - verharrte mit mir zusammen in Reglosigkeit. Puls erfüllte uns, und wir waren eins, doch in die Langsamkeit dieser Szene, außer der es nichts gab und gleichsam nichts geben konnte, schlich sich nun plötzlich etwas unaussprechlich Grausames, Unmögliches und Widernatürliches ein. Eben diese Berührung, die uns erschuf und sich als unsichtbarer goldener Mantel um unsere Körper schmiegte, begann zu kribbeln. Unsere Körper, nackt und weiß, fingen zu fließen an, schwärzten sich zu Strömungen sich windenden Gewürms, das uns entströmte wie die Luft; und ich war - wir waren - ich war glänzende, sich verflechtende und entflechtende fiebrige Masse spulwurmhafter Bewegung, nicht endend, unendlich; und in dieser Uferlosigkeit - nein! - ich, diese Uferlosigkeit, winselte schweigend um das Erlöschen, um das Ende, aber gerade dann breitete ich mich nach allen Richtungen auf einmal aus und schwoll an von verhundertfachtem, über alles Wachsein hinaus grell deutlichem, in schwarzen und roten Fernen gebündeltem, bald zu Fels erstarrendem, bald irgendwo im Strahlenglanz einer anderen Sonne oder Welt gipfelndem Leiden.
    Das war der einfachste der Träume, die anderen vermag ich nicht zu schildern, denn die Quellen des Entsetzens, die dort entsprangen, hatten bereits keinerlei Entsprechung im wachenden Bewußtsein. Vom Dasein Hareys wußte ich in den Träumen nichts, aber ich konnte darin auch keinerlei Erinnerungen oder Tageserlebnisse wiederfinden.
    Da waren auch andere Träume, worin ich mich in leblos erstarrter Finsternis als Gegenstand fleißiger, langsamer, keinerlei Sinneswerkzeug gebrauchender Untersuchungen fühlte; das war Eindringen, Zerkleinern, da verlor ich mich, bis es völlig leer

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