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Solaris

Solaris

Titel: Solaris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Erlösung…
    Aber die Solaristen sind nicht fähig, zuzugeben, daß es in Wahrheit so ist, emsig weichen sie jeder Erläuterung des Kontakts aus, so daß er in ihrer aller Schriften zu etwas Letztgültigem wird, und während er der ursprünglichen, noch nüchternen Auffassung nach ein Anfang sein sollte, eine Einleitung, das Betreten eines neuen Weges, eines unter vielen, ist er nach Jahren, sakralisiert, zur Ewigkeit und zum Himmel für sie alle geworden
    Einfach und bitter ist die Analyse von Muntius, diesem »Ketzer« der Planetologie, jäh erhellend in der Negation, indem sie den Mythos der Solaris zertrümmert, oder eher den der >Sendung des Menschen<. Die erste Stimme, die sich erkühnte, in einer noch von Zuversicht und Romantik erfüllten Entwicklungsphase der Solaristik laut zu werden, wurde mit vollkommenem, ignorierendem Schweigen aufgenommen. Das ist nur zu verständlich, denn die Worte von Muntius aufzunehmen wäre gleichbedeutend gewesen mit dem Austilgen der Solaristik in der Form, wie sie bestand. Die Anfänge einer anderen, nüchternen, resignierenden warteten vergebens auf ihren Stifter. Fünf Jahre nach dem Tod von Muntius, als sein Buch längst zur bibliographischen Rarität, zum Unikum geworden war und sich weder in Solariana-Sammlungen noch in philosophischen Bibliotheken auftreiben ließ, entstand eine Schule, die sich auf Muntius berief, der Norwegische Kreis. Aufgespalten zwischen die Einzelpersönlichkeiten der Denker, die Muntius’ Hinterlassenschaft aufgriffen, verwandelte sich dort die Ruhe seiner Darlegung in die ätzende, verbissene Ironie des Erle Ennesson und, in gleichsam versimpelter Fassung, in Phaelangas Gebrauchssolaristik oder »Utilaristik«. Letzterer forderte dazu auf, das Hauptaugenmerk auf die konkreten Vorteile zu richten, die sich aus den Forschungen ziehen lassen, ohne Seitenblicke auf ein mit Hirngespinsten ausgeschmücktes, aus falschen Hoffnungen entsprungenes Streben nach dem Zivilisationskontakt, nach geistiger Verbundenheit zweier Zivilisationen. Gegen die unerbittliche Klarheit der Analyse von Muntius sind jedoch die Schriften aller seiner Geistesjünger nicht mehr als Fleißarbeiten, wenn nicht gar gewöhnliche Populärfassungen, außer den Werken Ennessons und vielleicht noch Takatas. Muntius hat eigentlich alles schon selbst vollendet: die erste Phase der Solaristik bezeichnet er als »Stadium der Propheten«, unter die er Giese, Holden, Sevada gerechnet hat, die zweite hat er »Das Große Schisma« genannt, als den Zerfall der einen solarianischen Kirche in eine Menge einander befehdender Konfessionen, und eine dritte Phase hat er vorausgesagt: die der Dogmatisierung und scholastischen Verknöcherung, die eintreten werde, sobald alles erforscht sein werde, was es zu erforschen gibt. Doch ist es nicht so gekommen. - Gibarian - dachte ich hatte doch recht, wenn er den Muntiusschen Abrechnungsdiskurs für eine monumentale Vergröberung hielt, die alles unbeachtet lasse, was an der Solaristik den Elementen eines Glaubens zuwiderlaufe; denn in ihr entscheidet ja die nicht nachlassende irdische
    Zeitlichkeit der Arbeiten, die nichts verheißt als einen konkreten, körperlichen, um zwei Sonnen kreisenden Erdball.
    In dem Buch von Muntius steckte mittendurch gefaltet ein ganz vergilbter Sonderdruck aus der Vierteljahrsschrift »Parerga Solariana«, eine der ersten Arbeiten, die Gibarian verfaßt hatte, noch vor Übernahme der Institutsleitung. Auf den Titel »Warum ich Solarist bin« - folgte kurzgefaßt, beinahe wie ein Gliederungsentwurf, eine Aufzählung von konkreten Phänomenen, Beweisgründen für das Bestehen realer Chancen eines Kontakts. Denn Gibarian hatte zu der wohl letzten Generation jener Forscher gehört, die den Mut gehabt haben, an die frühen Jahre des Glanzes und des Optimismus anzuknüpfen, und die dabei einen eigentümlichen, alle von der Wissenschaft gesteckten Grenzen überschreitenden Glauben nicht verleugnet haben, einen äußerst materiellen Glauben: denn er vertraute auf den Erfolg von Anstrengungen, sofern sie nur beharrlich genug und unablässig wären.
    Gibarian ging aus von den klassischen, so wohlbekannten Untersuchungen der Bioelektronikergruppe mit eurasischer Marke (Cho En Min, Ngyalla und Kavakadze). Sie ergaben Elemente von Ähnlichkeit zwischen dem Bild der gehirnelektrischen Arbeit und gewissen Entladungen im Bereich des Plasmas, die vor sich gehen, ehe aus ihm solche Gebilde entstehen, wie etwa die frühstadialen Polymorpha

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